17.05.2023

Im Gespräch

„Ein Datenschutz um seiner selbst willen bringt uns nicht weiter“

Das Foto zeigt Dr. Peter Heinz, den Vorstandsvorsitzenden der KV Rheinland-Pfalz.
Dr. Peter Heinz, Vorstandsvorsitzender der KV Rheinland-Pfalz. Foto: KV RLP

1. Was braucht es, um das System der ambulanten Versorgung für die Zukunft zu wappnen?

Dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle. In erster Linie benötigen wir eine ausreichende Finanzierung. Es gibt von allen Seiten immer ein großes Bedürfnis zu gestalten. Kosten darf es aber nichts. Von diesem Denken müssen wir wegkommen. Um zukunftsfähige Projekte anzustoßen und umzusetzen, braucht es eine entsprechende finanzielle Basis.

Außerdem ist es unabdingbar, dass alle im System bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Aktuell herrscht ein sehr hohes Anspruchsdenken gegenüber der Ärzte- und Psychotherapeutenschaft. Auch Patientinnen und Patienten sowie die Politik müssen ihren Part zur Aufrechterhaltung unseres Solidar- und Gesundheitssystems beisteuern.

Als dritten Punkt möchte ich die Digitalisierung ansprechen. Hier könnten wir viel mehr leisten. Wir brauchen den Mut, unsere Daten zu nutzen. Datenschutz ist wichtig. Aber er darf nicht über allem stehen. Ein Datenschutz um seiner selbst willen bringt uns nicht weiter.



2. Welches Thema liegt Ihnen für Ihre KV-Region in den nächsten Jahren besonders am Herzen?

Alles dreht sich um unsere Kernaufgabe: die Sicherstellung der ambulanten Versorgung. Dazu gehört die Nachbesetzung der Praxen, deren Inhaberinnen und Inhaber altersbedingt aus dem System ausscheiden. Dementsprechend sind die Nachwuchsgewinnung und die Förderung der fachärztlichen Weiterbildung von enormer Relevanz.

Die KV Rheinland-Pfalz

Der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz gehören rund 8.000 niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten an. Ihr Vorstandsvorsitzender Dr. Peter Heinz ist Facharzt für Allgemeinmedizin in Gensingen. Sein Stellvertreter ist der Mainzer Anästhesiologe Dr. Andreas Bartels. Weiteres Vorstandsmitglied ist Peter Andreas Staub, Psychotherapeut aus Freinsheim.

Aber auch die Anpassung von gesetzlichen Rahmenbedingungen muss erfolgen, um den nachkommenden Medizinerinnen und Medizinern die Tätigkeit in der ambulanten Versorgung attraktiv zu machen. Die aktuelle Situation erfordert neue Herangehensweisen und Wege, um die Patientinnen und Patienten trotz der immer knapper werdenden Ressource Arztzeit adäquat zu versorgen.

Als besonders wichtigen Punkt sehen wir dabei die Digitalisierung an. Leider gibt es sowohl unter unseren Mitgliedern als auch in der Patientenschaft noch viele Vorurteile gegenüber dem digitalen Arbeiten. Hier braucht es eine noch höhere Bereitschaft und eine größere Offenheit für Neues. Kritik ist selbstverständlich berechtigt, wenn digitale Anwendungen nicht störungsfrei laufen und Zeit kosten, statt Zeit zu sparen. Funktionierende digitale Instrumente bergen jedoch enorme Potenziale.

3. Wie möchten Sie es anpacken?

Für das Thema Telematik-Infrastruktur (TI) haben wir beispielsweise ein Expertenteam, an das sich die Mitglieder bei Fragen wenden können. Dieses Angebot wird rege genutzt. Außerdem bieten wir Fortbildungen an und informieren über Neuerungen in unserem Newsletter und auf unserer Website.

Im Sommer soll ja bundesweit der TI-Messenger starten. Dabei können sich die Kolleginnen und Kollegen ganz einfach und sicher untereinander austauschen. Wie etwa über WhatsApp können Text-, Sprach- und Bildnachrichten ausgetauscht werden. Wenn dieses Angebot funktioniert, ergibt sich eine echte Arbeitserleichterung für die Praxen. Dafür müssen wir werben.

Ein ganz aktuelles Projekt in der KV RLP ist der Einsatz von Videosprechstunden im ärztlichen Bereitschaftsdienst. Weitere Ideen – nicht nur im digitalen Bereich – sind in Planung.

Das Foto zeigt ein Stethoskop und einen Netzstecker, die auf einer Computer-Tastatur liegen.
Für eine höhere Bereitschaft und größere Offenheit für Neues plädiert KV-Chef Dr. Peter Heinz bei der Digitalisierung. Foto: Adobe Stock / wsf-f



4. Welche Bedeutung hat für Sie die ärztliche Selbstverwaltung?

Sie bietet uns die Möglichkeit, gegenüber den Krankenkassen und der Politik geschlossen aufzutreten und für die Interessen unserer Mitglieder einzutreten. Leider lässt uns der sehr enge gesetzliche Rahmen fast keine Spielräume. Nichtsdestotrotz nutzen wir unsere Arbeit in unterschiedlichen Gremien auf Landes- und Bundesebene immer wieder, um die Stimme für unsere Mitglieder zu erheben.



5. Was wünschen Sie sich von der Politik?

Mir wäre es wichtig, dass die Politik ihr Handeln an den bestehenden Realitäten ausrichtet und sich nicht von ihrem Vierjahreshorizont der Wiederwahl leiten lässt. Es ist offensichtlich, dass viele Politikerinnen und Politiker noch lange nicht im Krisenmodus angekommen sind. Dieser verlangt ein agiles Reagieren auf bedrohliche Situationen und ein schnelles, lösungsorientiertes Handeln. Stattdessen werden im behäbigen Behördenmodus die gleichen Beschränkungen, Regulierungen und Sanktionierungen im ambulanten Gesundheitswesen angewendet, die schon vor Jahren keine Lösungen gebracht haben. Es wird weiterhin versucht, mit alten Mitteln wie der Bedarfsplanung oder der Budgetierung Lösungen zu finden. Hier sind dringend ein Umdenken und ein zukunftsorientiertes Handeln erforderlich.



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