17.05.2023

Im Gespräch

„Wir erwarten deutlich mehr Wertschätzung für den ambulanten Bereich“

Das Foto zeigt Diplom Medizinerin Angelika von Schütz, Vorstandsvorsitzende der KV Mecklenburg-Vorpommern.
Dipl.-Med. Angelika von Schütz, Vorstandsvorsitzende der KV Mecklenburg-Vorpommern. Foto: KVMV/Schrubbe

1. Was braucht es, um das System der ambulanten Versorgung für die Zukunft zu wappnen?

Neben einer auskömmlichen Finanzierung braucht es eine Akzeptanz der Gesellschaft, einerseits für die älter werdende Ärzteschaft und andererseits für neue Berufsmodelle jüngerer Kolleginnen und Kollegen. Dazu muss man sich auch mit der knapper werdenden Ressource Medizinischen Fachangestellten beschäftigen und für diesen überwiegend weiblich besetzen Beruf Angebote schaffen, die mit dem Erhalt der Sicherstellung der Versorgung der Patientinnen und Patienten vereinbar sind.



2. Welches Thema liegt Ihnen für Ihre KV-Region in den nächsten Jahren besonders am Herzen?

Das ist nicht nur ein Thema. Wir haben einen zunehmenden Ärztemangel. Dazu sind wir ein Flächenland mit dem Anspruch an den Erhalt einer wohnortnahen Versorgung für die uns anvertrauten Patientinnen und Patienten.

Die KV Mecklenburg-Vorpommern

Die Kassenärztliche Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern mit Sitz in Schwerin vertritt die Interessen von rund 3.000 Vertragsärztinnen und -ärzten sowie Vertragspsychotherapeutinnen und -therapeuten. Die HNO-Ärztin Angelika von Schütz ist seit 2023 Vorstandsvorsitzende. Stellvertretende Vorstände sind der Allgemeinmediziner Dr. Dieter Kreye und der Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Ulrich Freitag.

Ein wesentlicher Bestandteil dabei ist, bei aller staatlichen Regulierungstendenz, dass der Arztberuf in seiner Freiheit erhalten bleiben muss. Der Ärzteschaft muss weiter die Chance zur aktiven Mitgestaltung gegeben werden. Für die Finanzierung erwarten wir, dass den Kolleginnen und Kollegen alle erbrachten Leistungen bezahlt werden und auch für neue Versorgungsformen die nötigen Finanzmittel bereitstehen.

3. Wie möchten Sie es anpacken?

Zunächst einmal: Der Arztberuf ist ein wirklich großartiger Beruf. So sollten wir es auch nach außen kommunizieren. Wir sind in unserem Bundesland ein gesamtärztlicher Vorstand und bringen somit in all unsere Überlegungen den ärztlichen Sachverstand ein. Dieser Realitätsbezug ist uns für unsere Kolleginnen und Kollegen auch sehr wichtig. Wir brauchen natürlich die Unterstützung seitens der Politik. Daher gibt es mittlerweile regelmäßige Treffen zwischen uns als Vorstand und dem zuständigen Sozialministerium. Auch Gespräche mit der Gesundheitsministerin finden endlich statt. Wir möchten damit das Verständnis und die Sensitivität für die Leistungen des ambulanten Bereiches bei den politischen Entscheidungsträgern erhöhen und für gemeinsame Ziele auch ein abgestimmtes Miteinander einfordern.

Das Foto zeigt die mecklenburgische Sozialministerin Stefanie Drese.
Mit der mecklenburgischen Gesundheitsministerin Stefanie Drese finden regelmäßig Gespräche statt, sagt KVMV-Chefin Angelika von Schütz. Foto: IMAGO / Political-Moments



4. Welche Bedeutung hat für Sie die ärztliche Selbstverwaltung?

Ärztliche Selbstverwaltung ist eine große Chance und für eine KV als Körperschaft öffentlichen Rechts zugleich auch eine Herausforderung. Das Gestalten im Rahmen der ärztlichen Selbstverwaltung ist für uns eine wichtige Möglichkeit, der zunehmenden Staatsmedizin etwas entgegenzustellen. Ärztliche Selbstverwaltung bietet die Option, mehr Einfluss auf die medizinische Versorgung mit Blick auf die real existierenden Strukturen zu nehmen.



5. Was wünschen Sie sich von der Politik?

Wir erwarten deutlich mehr Wertschätzung für den ambulanten Bereich. Das politische Augenmerk liegt häufig mehr auf dem stationären Sektor. Wie effizient und mit welcher hohen persönlichen Einsatzbereitschaft jedoch der niedergelassene Bereich arbeitet, hat die Corona-Pandemie mehr als deutlich gezeigt. Nur dadurch wurden die Krankenhäuser in Deutschland vor dem Kollaps bewahrt, der in anderen Ländern der Welt aufgetreten ist. Das staatliche Hineinregieren in die Praxen muss eingebremst werden, unsere Kolleginnen und Kollegen sind durchaus in der Lage, ihre Praxen eigenverantwortlich und mit Fach- und Sachkenntnis zu führen. Wir wünschen uns Unterstützung bei der Suche nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Praxen, positive Begleitung der Politik und kurzfristige Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen zum Beispiel auch bei fachübergreifenden Kooperationsmodellen, und nicht immer nur Forderungen nach immer mehr Leistungen, die mit den aktuell vorhandenen Strukturen weder personell noch organisatorisch in dieser Weise fortgeführt werden können. Hier muss sich die Politik endlich ehrlich machen und den Mut haben zu einer realitätsbezogenen Gesundheitspolitik. Dem stehen wir als niedergelassene Ärztinnen und Ärzte offen gegenüber.



Das könnte Sie auch interessieren