17.05.2023

Im Gespräch

„Wir sind keine Gewerkschaft, die zum Streik aufrufen kann“

Das Foto zeigt Dr. Christian Pfeiffer, den Vorstandsvorsitzenden der KV Bayerns.
Dr. Christian Pfeiffer, Vorstandsvorsitzender der KV Bayerns. Foto: KVB/N. Stegemann

1. Was braucht es, um das System der ambulanten Versorgung für die Zukunft zu wappnen?

Das kann man kurz und knapp beantworten: Eine bessere Steuerung der Patientinnen und Patienten im System. Das gilt für die Regelversorgung ebenso wie für die Versorgung im Akutfall durch Bereitschaftsdienste oder Notaufnahmen.

2. Welches Thema liegt Ihnen für Ihre KV-Region in den nächsten Jahren besonders am Herzen?

Das entscheidende Thema in einem Flächenland wie Bayern ist die Nachwuchsgewinnung im haus- und fachärztlichen sowie psychotherapeutischen Bereich. Nur wenn ausreichend junge Kolleginnen und Kollegen in den Praxen nachfolgen, können wir die hochwertige ambulante Versorgung gerade in ländlichen Regionen aufrechterhalten.

Die KV Bayerns

Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns mit Sitz in München vertritt die rund 28.000 Niedergelassenen in Deutschlands flächenmäßig größtem Bundesland. Vorstandsvorsitzender ist seit 2023 Dr. Christian Pfeiffer. Stellvertretend stehen ihm Dr. Peter Heinz und Dr. Claudia Ritter-Rupp zur Seite.

Dazu ist es notwendig, dass man mit einer Praxis ein gutes Einkommen generieren kann und wirtschaftliche Planungssicherheit hat. Nur dann kann man auch die Medizinischen Fachangestellten angemessen für ihre wichtige und unersetzliche Tätigkeit bezahlen und eine Versorgung im Team gewährleisten.

Ein Thema, an dem wir in Bayern seit vielen Jahren intensiv arbeiten, ist die zukunftsfähige Gestaltung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes. Wir haben hier schon viel erreicht, aber es gibt noch einiges zu klären. Wir wollen nicht, dass die Politik eine neue Versorgungsebene für die Notfallbehandlung einzieht. Ich denke, wir können das als niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in sinnvoller Kooperation mit den Kolleginnen und Kollegen in den Kliniken selbst stemmen. Dabei kann man nicht jeden Wunsch von Politik und auch Patientenseite erfüllen, sondern muss sich an den Erfordernissen einer zweckmäßigen, medizinisch guten Versorgung orientieren.

Und noch ein „Spezialthema“ haben wir hier in Bayern auf der Agenda, das in anderen KVen wohl noch keine so große Rolle spielt: Den Einfluss von Finanzinvestoren auf die ambulante Versorgung. Einfallstor sind dabei die investorengetragenen Medizinischen Versorgungzentren. Wir haben der Politik Vorschläge gemacht, wie man diese Problematik in den Griff bekommen kann und sind gespannt auf die Umsetzung.

3. Wie möchten Sie es anpacken?

Mein Ziel ist es, gemeinsam mit meinen Vorstandskollegen die Gestaltungsmöglichkeiten, die uns der Gesetzgeber auf Landesebene gegeben hat, auch konsequent zu nutzen. Mit unserer Erfahrung aus der Praxis können wir in den Verhandlungen mit den Krankenkassen hoffentlich notwendige Änderungen anstoßen. Ich halte es für sehr kritisch, dass auf Bundesebene in der Selbstverwaltung praktisch nichts mehr auf dem Verhandlungsweg erreicht wird, sondern nur noch über das Schiedsamt. Das wollen wir in Bayern anders machen.

Das Foto zeigt eine Hauswand mit der Aufschrift ärztlicher Bereitschaftsdienst.
Beim ärztlichen Bereitschaftsdienst setzt die KV Bayerns auf Kooperation zwischen Praxen und Kliniken, betont ihr Vorstandsvorsitzer der Dr. Christian Pfeiffer. Foto: IMAGO / CHROMORANGE



4. Welche Bedeutung hat für Sie die ärztliche Selbstverwaltung?

Die ärztliche Selbstverwaltung in Form der KV wird von den Kolleginnen und Kollegen in den Praxen einerseits als eine Art Zwangskorsett empfunden. Andererseits stellt sie aber auch einen Schutzwall vor der überbordenden Macht der Politik und dem Einfluss der Krankenkassen dar. Der einzelne Arzt, die einzelne Ärztin könnte hier gar nichts bewegen. Natürlich würde ich mir als KV-Vorstand auch mehr Handlungsspielraum gegenüber den Krankenkassen in den Verhandlungen wünschen. Aber wir sind nun einmal keine Gewerkschaft, die zum Streik aufrufen kann. Wir müssen die Gegenseite vielmehr mit Argumenten überzeugen. Und dafür ist es meines Erachtens notwendig, als Vorstand einer Kassenärztlichen Vereinigung auch nach wie vor in der Praxis tätig zu sein. Nur so kann man die Folgen aller KV-Entscheidungen wirklich realistisch abschätzen.



5. Was wünschen Sie sich von der Politik?

Ich wünsche mir ein offenes Gehör für unsere Belange und die Lösungsvorschläge, die wir der Politik und den Krankenkassen anbieten können. Dazu gehört, wie eingangs dargelegt, gerade das Wissen um die Steuerung der Patientinnen und Patienten in die für sie passende Ebene der medizinischen Versorgung. Und noch eine Forderung an die Politik zum Schluss: Sorgt endlich dafür, dass jede ärztliche Leistung auch mit einem festen Preis vergütet wird!



Das könnte Sie auch interessieren