27.01.2023

Europäische digitale Identität

Eine Nummer fürs Leben

Das Titelfoto zeigt ein Symbolbild für die sogenannte digitale Brieftasche.
Die digitale Identität soll eine Vielzahl an Daten und Dokumenten von EU-Bürgerinnen und -Bürgern beinhalten – quasi eine „digitale Brieftasche“. Foto: www.iStock.com/Who_I_am

Die Europäische Kommission plant für jeden EU-Bürger eine unverwechselbare digitale Identität, verbunden mit einer sogenannten digitalen Brieftasche. Der Verordnungsentwurf dafür wird seit Juni 2021 vom europäischen Rat und dem EU-Parlament kontrovers diskutiert.

 

Die digitale Brieftasche soll eine Vielzahl an Angaben enthalten, deren Echtheit überprüft ist. Dazu zählen Adresse, Alter, Geschlecht, Personenstand und die Familienzusammensetzung, aber auch Informationen zu Staatsangehörigkeit oder Staatsbürgerschaft. Zudem sollen Bildungsabschlüsse, Titel und Erlaubnisse, Berufsqualifikationen, behördliche Genehmigungen und Lizenzen sowie Finanz- und Unternehmensdaten aufgelistet sein. Darüber hinaus denken die EU-Beamten daran, den Zugang zu manchen Gesundheitsleistungen an die digitale Brieftasche zu knüpfen – wie etwa das elektronische Rezept, dessen Echtheit so überprüft werden könnte.

Der Mehrwert einer solchen „digitalen Brieftasche“ wäre, dass Bescheinigungen künftig digital und „auf Knopfdruck“ vorgelegt werden können und ihre Echtheit unaufwendig nachgewiesen werden kann. Der Behördengang und die Wartezeit im Bürgerbüro würden somit obsolet – und zwar EU-weit. Denn Brüssel erhofft sich, dass mit der EU-ID der Zugang zu privaten und öffentlichen Leistungen in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten auch grenzüberschreitend drastisch vereinfacht und beschleunigt wird.

 

Datenschützer warnen

Hinter diesen Plänen verbergen sich jedoch einige Stolpersteine, sowohl in rechtlicher und praktischer Umsetzung als auch aus Sicht des Datenschutzes. Hier wird insbesondere eine etwaige lebenslange und eindeutige Identifikationsnummer, die sogenannte EU-ID, kontrovers diskutiert, falls eine solche für die Nutzung der „digitalen Brieftasche“ notwendig wäre.

Bundesdatenschützer Ulrich Kelber äußerte sich in einer Stellungnahme kritisch gegenüber der sogenannten EU-ID. Foto: IMAGO/Jürgen Heinrich

Das Problem: Personenbezogene Daten könnten als sogenanntes Profiling zusammengeführt werden. Dies jedoch wird von Datenschützern kritisch beurteilt, worauf auch eine Stellungnahme des BfDI zur Thematik Digitale Identitäten hinweist.

Dass eine Umsetzung der europäischen digitalen Identität in nationales Recht große Herausforderungen für die öffentliche Hand bedeutet, lässt sich an den Einlassungen von Bundesrat und einigen EU-Mitgliedstaaten ablesen. Sie forderten eine längere Umsetzungsfrist, um die EU-ID einzuführen. Dies entspricht mittlerweile auch der offiziellen Position der Mitgliedstaaten, die im sogenannten „Standpunkt des Rates der Europäischen Union“ zu diesem Verordnungsvorschlag zusammengefasst ist.  

Probleme bei der Umsetzung

Auch das für die digitale Brieftasche vorgesehene Sicherheitsniveau „hoch“ scheint diejenigen Mitgliedstaaten vor Schwierigkeiten zu stellen, die sich im Rahmen ihrer nationalen Lösungen bereits auf den Pfad des niedrigeren Sicherheitsniveaus „substanziell“ begeben haben. Der Rat schlägt hierfür das sogenannte „Onboarding“ vor, bei dem Nutzer sich für die europäische digitale Identität registrieren, indem sie das bestehende nationale Sicherheitsniveau punktuell um die europäischen Sicherheitsanforderungen erweitern.

Im Europäischen Parlament wird der Verordnungsentwurf der EU-Kommission kontrovers diskutiert. Foto: IMAGO/Panama Pictures

Nicht zuletzt werden auch Fragen der Barrierefreiheit diskutiert. Denn wie sieht es mit Bevölkerungsgruppen aus, für die die Digitalisierung von behördlichen Leistungen eine große Hürde bedeutet? Fatal wäre es, wenn sie durch die aktuellen Entwicklungen abgehängt würden. Die Nutzung der „digitalen Brieftasche“ ist laut Verordnungsentwurf freiwillig. Dennoch argumentieren einige EU-Abgeordnete, dass die Mitgliedstaaten darauf achten müssen, dass weiterhin auch die „analogen“ Leistungen niedrigschwellig erreichbar bleiben und durch digitale Lösungen nicht zurückgedrängt werden.

Das Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen, EU-Parlament und Rat müssen sich auf eine gemeinsame Position einigen. Dann erst kann der Verordnungsvorschlag förmlich von der EU-Legislative verabschiedet werden.

 

Sten Beneke / Katrin Lützenkirchen

 

Der Vorschlag für eine „Änderung der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 im Hinblick auf die Schaffung eines Rahmens für eine europäische digitale Identität“ soll die eIDAS-Verordnung aus dem Jahr 2014 abändern („Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt“). Sie wird nach Inkrafttreten unmittelbar geltendes Recht in den Mitgliedstaaten.