Lesen Sie hier das gemeinsame Positionspapier von KBV und BÄK zur Europawahl 2024
13.05.2024
Europawahl: So positioniert sich die deutsche Ärzteschaft
Bald wird gewählt – europaweit. Beim Urnengang für das Europäische Parlament stehen auch gesundheitspolitische Themen im Fokus. Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Bundesärztekammer (BÄK) haben sich deshalb erneut mit einem gemeinsamen Papier positioniert.
Die Corona-Pandemie hat europapolitisch einiges ins Rollen gebracht – auch und vor allem in der Gesundheitspolitik. Von der Impfstoffbeschaffung über ein gemeinsames Impfzertifikat bis hin zur koordinierten Vorbereitung auf künftige Gesundheitsgefahren.
Gleichwohl stellte das Virus die EU sowie die 27 Mitgliedstaaten mit ihren Millionen von Leistungserbringern vor erhebliche Herausforderungen. Wichtige Projekte der europäischen Gesundheitspolitik wurden später angestoßen als gedacht.
Vor diesem Hintergrund haben sich KBV und BÄK als Spitzenorganisationen der deutschen Ärzteschaft, wie schon zur Europawahl 2019, mit einem gemeinsamen Papier positioniert. In sechs Punkten legen sie dar, auf was es in der nächsten Legislaturperiode gesundheitspolitisch ankommen wird – und setzen ein Zeichen gegen zunehmenden Extremismus in Europa.
Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV, stellt klar: „Wir sind der Überzeugung, dass die Einhaltung demokratischer rechtsstaatlicher Prinzipien nicht nur essenziell für den inneren Frieden Europas ist, sondern auch für ein funktionierendes Gesundheitswesen. Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus stehen im diametralen Widerspruch zum ärztlichen Ethos.“
Ressource Arbeitskraft
Politisch muss laut KBV und BÄK auf europäischer Ebene insbesondere beim Thema Arbeitskräfte etwas passieren. Zwar sei die europäische Freizügigkeit ein hohes Gut, bei der Migration von Gesundheitsfachkräften käme es aber nicht nur auf Quantität, sondern auch Qualität an. Ärztinnen und Ärzte in Europa sollten über ein verlässlich hohes und vergleichbares Qualifikationsniveau verfügen – so sei es auch in einer EU-Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen geregelt.
Auch vor dem Hintergrund von Ärzte- und Fachkräftemangel sei die Absenkung von Qualitätsniveaus keine Option, da dies die Patientensicherheit gefährde. Um einen „Brain drain“ in andere Mitgliedstaaten zu verhindern, müsse es außerdem EU-weit gute Arbeitsbedingungen und angemessene Bezahlung geben.
Bis 2021 stieg beispielsweise die Anzahl von Pflegefachkräften aus dem EU-Ausland, insbesondere aus Polen und Rumänien, auf etwa 85.000. Und auch aus Drittstaaten ist der Zuzug enorm: Von 2015 bis 2020 kamen allein 18.000 Ärzte, Krankenschwestern und Hebammen aus den Westbalkan-Staaten nach Deutschland – Arbeitskräfte, die in ihren heimischen Gesundheitssystemen fehlen.
Daten für Menschen – und nicht umgekehrt
Auch der Umgang mit Daten und künstlicher Intelligenz (KI) solle immer aus Sicht von Patientinnen, Patienten und Behandelnden gedacht werden, sagen die beiden Ärzteorganisationen. Mehrarbeit für Praxen und Co. – und damit weniger Zeit für die Behandlung – gelte es bei der Digitalisierung unter allen Umständen zu verhindern.
Einen guten Kompromiss habe die EU hier beim Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) gefunden, sagt KBV-Vize Hofmeister: „Diese Einigung erlaubt den EU-Mitgliedstaaten, ihren Bürgerinnen und Bürgern Widerspruchsmöglichkeiten gegen die Zusammenführung und Weitergabe ihrer Gesundheitsdaten einzuräumen – und dies schon für die Primärnutzung, also beispielsweise für die elektronische Patientenakte. Außerdem können die Praxen von der Pflicht befreit werden, Daten für Forschungszwecke, also die sogenannte Sekundärnutzung, bereitzustellen.“
Standort Europa
In den vergangenen Monaten und Jahren haben die Menschen in Europa ein weiteres Thema sehr direkt zu spüren bekommen: Lieferengpässe bei Arzneimitteln. Nicht selten folgte auf den Arztbesuch Ernüchterung, als verordnete Medikamente in der Apotheke nicht vorrätig waren. Therapiewechsel und Aufklärung der Patientinnen und Patienten sorgten in Praxen und Apotheken für erheblichen Mehraufwand.
Auch hier würden KBV und BÄK nachsteuern. Die Europäische Kommission habe mit ihrer Arzneimittelstrategie einen guten Grundstein gelegt, müsse die Reform aber konsequent zu Ende führen. Dazu gehörten insbesondere diversifiziertere Lieferketten und, wo möglich, ein stärkerer Fokus auf Arzneimittel „Made in Europe“. Zulassungsverfahren für neue Arzneien müssten außerdem weiterhin im Interesse der Patientensicherheit standardisiert bleiben.
Klimaschutz und Prävention haben für die deutsche Ärzteschaft einen ebenso hohen Stellenwert, aber: Nicht jedes gesundheitspolitische Anliegen darf zentralistisch aus Brüssel heraus gesteuert werden. Nicht umsonst ist Subsidiarität ein elementares Prinzip der EU. Dazu resümiert Hofmeister: „Themen wie die Liefersicherheit von Arzneimitteln, grenzüberschreitender Gesundheitsschutz sowie verlässliche Standards hinsichtlich der ärztlichen Qualifikation sind nur gemeinsam zu bewältigen. Andere hingegen, wie etwa Fragen der Aus- und Weiterbildung oder der konkreten Berufsausübung, gehören in nationale Regelungshoheit.“ Ein Hineinregieren in ärztliche und psychotherapeutische Angelegenheiten und deren Selbstverwaltung könne man nicht akzeptieren, „ganz gleich, auf welcher politischen Ebene“, so Hofmeister.
Am 9. Juni wird gewählt
Vom 6. bis 9. Juni werden EU-Bürgerinnen und -Bürger wieder an die Wahlurne gerufen, um ihre Stimme bei der Europawahl abzugeben. Alle fünf Jahre wird das Europaparlament neu gewählt. Die Aufteilung erfolgt proportional zur Bevölkerungszahl der Mitgliedstaaten; aus Deutschland werden mit insgesamt 96 Abgeordneten die meisten Parlamentarier nach Brüssel und Straßburg geschickt. Gewählt wird hier am Sonntag, den 9. Juni.
Hendrik Schmitz
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Bericht aus Brüssel