30.04.2021

Wirtschaftlichkeitsprüfungen

Vertragsärzte brauchen Planungssicherheit

Das Foto zeigt eine Sitzung des Deutschen Bundestags.
Mit dem GVWG befassen sich ab Mai 2021 Bundestag und Bundesrat – als eines der letzten Gesetze dieser Legislaturperiode. Foto: IMAGO / Future Image

Spätestens im Juni wird das Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) in Kraft treten können, nachdem es der Bundestag in zweiter und dritter Lesung beraten und sich der Bundesrat am 28. Mai oder aber erst am 15. Juni 2021 abschließend mit dem Gesetz im zweiten Durchgang befasst haben wird.

Im Rahmen des Ausschussverfahrens im Bundestag wurde ein großes Paket an Änderungsanträgen übermittelt – einige davon eingebracht von Bündnis 90/Die Grünen. Ein Antrag sieht unter anderem vor, dass probatorische Sitzungen während der Krankenhausbehandlung nicht nur in den Räumen des Krankenhauses, sondern auch in den vertragspsychotherapeutischen Praxen durchgeführt werden können. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) begrüßt diese Initiative und hat dies zuvor auch selbst in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf ausgeführt. Die Grünen haben diesen Vorschlag übernommen: Da aufgrund der fehlenden Mehrheit in der Regel die Anträge der Opposition abgelehnt werden, wird diese Regelung in diesem Gesetz noch keinen Eingang finden. Bei einer möglichen Regierungsbeteiligung der Grünen nach der Bundestagswahl im September hätte diese Regelung gute Chancen auf Realisierung in einem kommenden Gesetzgebungsverfahren.

KBV fordert Klarstellung zu Wirtschaftlichkeitsprüfungen

Da das GVWG einen bunten Strauß an vielfältigen Änderungen verschiedener Bereiche vorsieht, hat die KBV das Ausschussverfahren zum Anlass genommen, um eine gesetzliche Klarstellung einzubringen, die auch in der öffentlichen Anhörung von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Fragenkatalog an die KBV adressiert wurde: So fordert die KBV, dass Maßnahmen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfungen nur innerhalb von zwei Jahren nach Abschluss des Verordnungszeitraums erfolgen dürfen. Zum Hintergrund: Die KBV und der GKV-Spitzenverband hatten sich vor einem Jahr darauf geeinigt, dass die Hemmung der Zweijahresfrist durch die Mitteilung eines Prüfantrags an den Arzt ausgeschlossen ist. Diese Rahmenvereinbarung, aufgrund derer der Zeitraum für etwaige Nachforderungen im Sinne der Planungssicherheit der Vertragsärzte verkürzt werden sollte, hatten die Krankenkassen Ende März einseitig gekündigt. Nun wurde in einem weiteren Änderungspaket vom 26. April 2021 der Vorschlag der KBV zu § 106 (Wirtschaftlichkeit) erfreulicherweise aufgenommen.

Zu den vielfältigen Änderungen im Rahmen des GVWG nahm die KBV ausführlich Stellung. Foto: IMAGO / Stefan Zeitz

Unerfreulicher Änderungsantrag

Die bisherige Regelung zur Patientenbefragung sieht vor, dass das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) „insbesondere beauftragt werden soll, für die Messung und Darstellung der Versorgungsqualität möglichst sektorenübergreifend abgestimmte risikoadjustierte Indikatoren und Instrumente einschließlich Module für ergänzende Patientenbefragungen zu entwickeln ...“ Nun soll das Wort „ergänzend“ gestrichen werden, um Patientenbefragungen in Verfahren der Qualitätssicherung auch eigenständig und nicht nur in Verbindung mit anderen Datenerhebungen nutzen zu können. Dies wäre problematisch, da in der Qualitätssicherung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) nicht nur die Qualitätsförderung vorgesehen ist, sondern auch die Sanktionierung von Ärztinnen und Ärzten durch zum Beispiel Vergütungsabschläge und durch einrichtungsbezogene Veröffentlichung. Eine solche Sanktionierung allein auf Basis anonymer Patientenbefragungsergebnisse ohne Rechtfertigungsmöglichkeit der Ärzte aufgrund des fehlenden Fallbezuges lehnt die KBV ab. Das Wort „ergänzend“ darf somit keinesfalls gestrichen werden. Die Patientenbefragung ist zwar ein hervorragendes Instrument für das interne Qualitätsmanagement medizinischer Einrichtungen, aber nur mit Einschränkungen für die Qualitätssicherung geeignet. Dem sollte Rechnung getragen werden.

Veröffentlichung von Qualitätsdaten

Auf Kritik stoßen bei der KBV auch die im GVWG vorgesehenen Pläne zur vergleichenden Veröffentlichung von Qualitätsdaten von Praxen und Krankenhäusern. So soll der G-BA „einheitliche Anforderungen für die Information der Öffentlichkeit zum Zweck der Erhöhung der Transparenz und der Qualität der Versorgung insbesondere durch einrichtungsbezogene Vergleiche“ festlegen. Dazu sollen Kennzahlen zur Qualität von Praxen und von Krankenhäusern veröffentlicht werden, um Patienten eine bessere Entscheidung bei der Auswahl einer Einrichtung zu ermöglichen.

Wenig Aussagekraft von Fallzahlen

Die KBV hatte bereits in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf des GVWG deutlich gemacht, dass sie sich dem gesellschaftlichen Wunsch nach Transparenz nicht verschließen wolle. Die in den Verfahren der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung (QS) genutzten Indikatoren eigneten sich jedoch bislang nicht für einen sinnvollen einrichtungsbezogenen Vergleich. Ein Problem ist zum Beispiel: Die Fallzahlen pro Vertragsarzt sind oftmals gering und die Ergebnisse, wenn überhaupt, erst über einen sehr langen Zeitraum aussagekräftig. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll außerdem die Dokumentationsrate bestehender und künftiger QS-Maßnahmen in den Praxen aus dem Stand auf 100 Prozent festgelegt werden. Bei Nichterfüllung drohen Vergütungsabschläge.

Im stationären Sektor ist die Dokumentationsrate schrittweise angehoben worden, bevor es eine sanktionsbewehrte 100-Prozent-Pflicht gab. Ob diese Vorgabe realistisch erfüllbar ist – unabhängig davon ob Praxis oder Krankenhaus –, ist aus Sicht der KBV zu bezweifeln.

Maren Stantien-Koczott

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