30.04.2021

Erste Corona-Impfungen bei Berliner Hausärzten

Ein kleines Impfzentrum in jeder Praxis

Das Foto zeigt eine Medizinische Fachangestellte, die einem vor ihr sitzenden Patienten eine Spritze in den Oberarm gibt. Der Patient trägt eine Atemschutzmaske.
In 100 Berliner Praxen wurde schon im März gegen SARS-CoV-2 geimpft. © KBV/Hendrik Schmitz

Die Impfungen in deutschen Hausarztpraxen nehmen Fahrt auf. Doch schon seit März impfen ausgewählte Ärztinnen und Ärzte in Modellprojekten der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). Besuch in einer Berliner Modellpraxis, die am Tag rund 60 Dosen verabreicht.

Den Mann im Schutzanzug treibt es erneut zum Waschbecken. Den darüber angebrachten Desinfektionsspender betätigt er im Zehnminutentakt. Nach jeder Patientin und jedem Patienten beschreitet er erneut den Weg Richtung Labor – der Raum wird derzeit nicht benutzt. Die Steriliumflasche leert sich beständig; die nötigen Handgriffe sind schnell, aber routiniert.

Nach einem Schritt zurück sucht er Blickkontakt zur Frau hinter der Rezeptionstheke: „Ist der nächste Patient schon da?“ Nicken, er sitzt im Wartebereich. Und wieder macht der Arzt sich auf den Weg ins Behandlungszimmer. Nur ein paar Augenblicke, und der nächste Impfling durchschreitet den Türrahmen. Er nimmt Platz auf dem Stuhl in der Mitte des Raumes, just neben der Krankenliege. Auf dem Schreibtisch steht ein Pappschälchen – der Inhalt: eine präparierte Spritze, dünn und unscheinbar.

Es ist Stunde drei für Stephan Grunwald. An diesem Montagnachmittag verabreicht der Facharzt für Innere Medizin insgesamt 30 Impfdosen gegen das Corona-Virus. In einer Viertelstunde wird er von einem Kollegen abgelöst, dann ist er für diesen Tag durch mit dem Impfen. Hier in der Corona-Schwerpunkt-Praxis des Zentrums für Infektiologie in Berlin schaffen die Ärztinnen und Ärzte 60 Patientinnen und Patienten pro Tag, geimpft wird von 12 bis 18 Uhr.

Die Ersten ihrer Art

Die Praxis im Stadtteil Prenzlauer Berg ist Teil eines Modellprojekts der KV Berlin. Darin wurden circa 100 Hauptstadt-Praxen damit beauftragt, bereits vor dem breiten Rollout mit der Impfung chronisch kranker Patientinnen und Patienten zu beginnen. Die Impflinge wurden von den Praxen gemäß den Priorisierungsvorgaben der Impfverordnung ausgewählt und kontaktiert. Aufgrund der Impfstoffknappheit ist die Anzahl der Termine noch begrenzt.

Die zweigeteilte Fotocollage zeigt Stephan Grunwald, Arzt im Zentrum für Infektiologie in Berlin. Auf der linken Hälfte der Collage trägt er einen weißen Schutzanzug und eine FFP2-Maske, auf der rechten trägt er ein weißes Hemd und eine FFP2-Maske.
Stephan Grunwald ist einer der impfenden Ärzte im Zentrum für Infektiologie Berlin/Prenzlauer Berg. © KBV/Hendrik Schmitz

 

Heute herrscht aber reger Betrieb: Alle fünf bis zehn Minuten läutet die Türklingel. Die Medizinischen Fachangestellten (MFA) an der Rezeption – beide in lange hellblaue Kittel gehüllt – stehen abwechselnd auf, gehen zur Tür und bitten die Patientinnen und Patienten herein. Bevor diese im Wartezimmer Platz nehmen dürfen, geht es zunächst zum Empfangsbereich. Dort erwartet sie eine MFA mit Fiebermessgerät. Ist die Temperatur im grünen Bereich, erhalten die Impflinge Aufklärungs-, Anamnese- und Einwilligungsbögen, die es auszufüllen gilt. „Bei der Corona-Impfung ist ein bisschen mehr Aufklärungsarbeit mit dabei“, sagt Grunwald. „Aber vorab in den Telefongesprächen lässt sich das eigentlich immer gut erläutern.“

Schon seit Zulassung des ersten Impfstoffs im Dezember 2020 fragen Patientinnen und Patienten immer wieder nach der Corona-Impfung: „Soll ich mich impfen lassen? Wann komme ich dran? Ist das jetzt besser? Ist das schlechter? Das sind Fragen, die wir täglich in der Sprechstunde haben“, so Grunwald. Bei der Grippe-Impfung wüssten die meisten Impflinge bereits, worauf sie sich einlassen – bei der gegen das neuartige Corona-Virus dagegen nicht. Entsprechend gäbe es auf Patientenseite immer wieder Nachfragen bezüglich der unterschiedlichen Impfstoffe, Wirksamkeitszahlen und möglichen Nebenwirkungen.

Bekannte Gesichter, bekannter Piks

Um 14.20 Uhr betritt Grunwalds letzter Patient für diesen Tag das Behandlungszimmer. Nach einer Begrüßung auf Distanz setzt sich der Mann mittleren Alters auf den Stuhl. Hinter dem Schreibtisch sitzt eine MFA; trotz der Schutzmaske ist auf ihrem Gesicht ein Lächeln zu erkennen. Auch Grunwald – bis auf die rote Naht seines Schutzanzuges komplett in Weiß gehüllt – zeigt sich herzlich: „Wie geht es dir heute? Irgendwelche Symptome?“ Das Du wird erwidert. Man kennt sich.

Die Video-Vorschaubild zeigt Dr. Axel Baumgarten, Facharzt für Allgemeinmedizin in Berlin.

Der Mann hat eine Vorerkrankung, fragt nach Nebenwirkungen und der Zweitimpfung. Nach einigen Minuten hat Grunwald die Fragen beantwortet und den Patienten über mögliche Symptome nach der Impfung aufgeklärt. Das Gespräch dauert bedeutend länger als das, was folgt: Der Mann zieht seinen roten Pullover aus, macht den linken Arm frei. Die MFA desinfiziert die Stelle, nimmt die vorbereitete Dosis in die Hand und setzt zum Piks an. Vorsichtig, aber bestimmt drückt sie den Kolben Richtung Arm. Sie zieht die Spritze heraus und klebt ein Pflaster auf die Einstichstelle. Anschließend und unter erleichtertem Plaudern wird der Mann in einen Nebenraum geführt und dort eine Viertelstunde lang nachbeobachtet. Nach 15 Minuten zeigen sich bei ihm keine Symptome – er darf nach Hause gehen.

Es geht nur mit den Niedergelassenen

Seit Donnerstag, dem 13. März, impft die Praxis im Berliner Kiez gegen das Corona-Virus. Sie wurde mit 250 Dosen des AstraZeneca-Impfstoffs beliefert. „Es ist noch nicht zugesagt, dass jetzt ein kontinuierlicher Fluss eintritt, sondern es sind jetzt erstmal die 250, die wir verimpfen können“, sagt Grunwald. Spätestens elf Tage später seien die vorhandenen Dosen aufgebraucht. Dass dies nicht schon früher der Fall gewesen sei, läge vor allem am kurzzeitigen Impfstopp der schwedisch-britischen Vakzine.

Für die weitere Impfstrategie wünscht sich Grunwald einen raschen Einbezug der niedergelassenen Haus- und Fachärzte: „Es geht jetzt einfach darum, die ‚Impfzentren‘, die wir in jeder einzelnen Arztpraxis haben, zu aktivieren und zu bestücken.“ Die großen Impfzentren seien vor Ort zwar gut durchdacht, hätten im Vergleich zu den Praxen aber große Schwierigkeiten bei der Terminorganisation. „Als wir letzte Woche den Start hatten, hatten wir innerhalb von zwei Tagen die Patienten selektiert, informiert und Termine geben können. Das ist etwas, was extrem lange dauert bei den Impfzentren. Und ich glaube, dass das, was über die Arztpraxen laufen kann, sehr viel besser ist.“

 

Hendrik Schmitz

Das könnte Sie auch interessieren