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27.01.2023

Engagiert als Arzt und in der VV: Voller Einsatz für die Selbstverwaltung

Das Foto zeigt Dr. Roland Tenbrock, Mitglied der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein.
Gemeinsam mit seiner Frau führt Dr. Roland Tenbrock eine Praxis in Düsseldorf. Seit Jahren engagiert er sich in der VV der KVNO. Foto: privat

Dr. Roland Tenbrock ist niedergelassener Orthopäde in Düsseldorf und seit 2016 gewähltes Mitglied der Vertreterversammlung (VV) der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO). Im Klartext erzählt er, wie er es schafft, sich trotz einer 60-Stunden-Woche als freiberuflicher Mediziner in der ärztlichen Selbstverwaltung zu engagieren.

Der letzte Patient des Tages ist versorgt, das letzte Rezept ausgestellt. Dr. Tenbrock steht von seinem Schreibtisch auf, dreht noch einmal eine Runde durch seine Praxis und entlässt sein Team in den wohlverdienten Feierabend. Wenn die Lichter in seinem Düsseldorfer Sprechzimmer am Abend ausgehen, fährt er nicht jedes Mal sofort nach Hause: An diesem Abend ruft noch die VV, ein wichtiges Organ der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen.

Sein politisches Engagement nimmt neben seiner Arzttätigkeit viel Zeit in Anspruch. Trotzdem ließ sich der Orthopäde im vergangenen Sommer erneut wählen. „Für mich ist ärztliche Selbstverwaltung wichtig, da wir so unsere Belange selbst vertreten können. Durch meinen Einsatz in der VV kann ich meine KV politisch stärken, die wiederum Einfluss auf die deutsche Gesundheitspolitik hat. Als Ansprechpartner für meine Kolleginnen und Kollegen setze ich mich in der VV für ihre Anliegen ein. Meine Gruppe, die Versorger-Fachärzte, zeichnet sich durch langjährige sehr gute Zusammenarbeit aus und motiviert mich dazu, mich auch weiterhin aktiv in der VV zu engagieren“, sagt Tenbrock.

Ärztliches Gremium VV

Die Vertreterversammlungen sind sozusagen die Parlamente der Kassenärztlichen Vereinigungen und gehören damit zu den zentralen Organen ärztlicher Selbstverwaltung. Im vergangenen Jahr waren rund 183.000 bundesweit in Praxen tätige Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten dazu aufgerufen, ihre VVen zu wählen.

Am 22. Oktober 2022 fand die konstituierende VV-Sitzung der KV Nordrhein statt. Foto: Malinka, KVNO

Im Rahmen seines Engagements in der VV Nordrhein setzt sich Tenbrock meist mit tagesaktueller Politik auseinander. „In unseren Sitzungen der KV greifen wir die aktuellen Belange auf und formulieren Beschlüsse, die wir dann in den Vertreterversammlungen durchsetzen wollen. In den vergangenen Jahren klagten viele Kolleginnen und Kollegen über Probleme bei der Beschaffung des Sprechstundenbedarfs, das sind zum Beispiel Verbandsmaterialien oder Holzmundspatel. Das konnten wir im Jahr 2021 gut lösen. Wir haben in der KV eine neue Sprechstundenbedarfsverordnung und eine neue Sachkostenverordnung hinbekommen, die deutlich näher an der Arbeitsrealität der Ärzteschaft liegen“, erzählt er.

Von der VV wünscht sich der Orthopäde mehr Geschlossenheit: „Sowohl Haus- als auch Fachärztinnen und -ärzte dürfen nicht in Sparten denken, sondern müssen gemeinsam für ihre Arbeitsbedingungen innerhalb der VV einstehen – nur so können wir wirklich etwas erreichen“, betont Tenbrock.

Gremien der Ärzteschaft und Geschlechterparität

Die Bundesregierung will die KVen dazu verpflichten, ihre Vorstände ab 2023 geschlechterparitätisch zu besetzen. Aktuell sind in den VVen Frauen deutlich unterrepräsentiert, weshalb Tenbrock diese Idee begrüßt: „Der neuen Regelung sollte allerdings ausreichend Zeit gegeben werden. Ein potenzielles Vorstandsmitglied muss in jedem Fall angemessen lange auf diese Aufgabe vorbereitet werden. Vielerorts müssen außerdem die Satzungen geändert werden, da die meisten VV-Wahlen bereits 2022 stattgefunden haben. Das alles ist mit einem erheblichen Aufwand verbunden“, kommentiert er. In jedem Fall sollten sich die KVen bemühen, insbesondere auch für jüngere Medizinerinnen und Mediziner attraktiv zu werden. In diesem Punkt sieht er als Landesvorsitzender des Berufsverbands für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) in Nordrhein-Westfalen für das KV-System noch Potenzial. „Wir haben im BVOU ein sogenanntes Junges Forum. Das wäre auch ein Modell für die KVen und VVen. Mentoren-Programme können zusätzlich dazu beitragen, Jüngere aktiv mit einzubeziehen und für die politische Arbeit zu gewinnen“, schlägt er vor.

Das Foto zeigt das Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf. Hier sitzen die Ärztekammer Nordrhein und die KVNO.
Das Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf. Hier sitzen die Ärztekammer Nordrhein und die KVNO. Foto: IMAGO imageBROKER / Thomas Robbin

Laut aktuellen Ergebnissen des Berufsmonitoring Medizinstudierende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) können sich 96 Prozent der Studierenden eine Anstellung als Arzt oder Ärztin vorstellen. Damit die Niederlassung mit eigener oder gemeinschaftlicher Praxis attraktiv bleibt, müssen für Tenbrock als erstes die Rahmenbedingungen verbessert werden: „Die finanziellen Anreize müssen stimmen. Wenn ich genauso viel verdiene wie im Krankenhaus, warum soll ich mich bei hohem finanziellen Risiko und wesentlich mehr Arbeit niederlassen? Auch die Freiberuflichkeit ist ein äußerst wichtiger Aspekt. Regresse, Verordnungen, Telematikinfrastruktur – die ganzen Restriktionen müssen abgeschafft werden. Freiberuflichkeit bedeutet schließlich, dass wir als medizinische Experten unabhängig von den Interessen Dritter Patientinnen und Patienten behandeln können“, sagt er.

Digitalisierung in der ambulanten Versorgung

Auch die schlecht umgesetzte Digitalisierung mache die Arbeit im niedergelassenen Bereich weniger attraktiv. „Wir haben derzeit digitale Lösungen, die unsere tägliche Arbeit in der Praxis behindern. Unser Tagesablauf wird durch die Telematikinfrastruktur, Messenger-Dienste und andere digitale Anwendungen von außen vorgegeben. Wenn das Sachen wären, die uns helfen und Zeit sparen würden, hätte ich da kein Problem mit. Aber aktuell muss ich teilweise noch deutlich mehr Zeit aufwenden, damit die Digitalisierung in der Praxis überhaupt funktioniert, das hat auch die aktuelle Untersuchung des Bürokratieindex der KBV gezeigt“, so Tenbrock. „Dabei hat die KBV-VV im Mai 2022 bereits eine Resolution beschlossen. Darin wurden Anforderungen an Politik und gematik gestellt, die erfüllt werden müssen, damit die Telematikinfrastruktur so weiterentwickelt werden kann, dass sie der ambulanten Versorgung tatsächlich nutzt. Ein wesentlicher Punkt ist beispielsweise die Forderung nach persönlichen Ansprechpartnern bei technischen Anwendungsproblemen und Einbeziehung der Anwender in die Entwicklung. Ich fühle mich wie ein Beta-Tester. Dabei sollte der Beta-Test eigentlich vor Einführung einer Software oder Technik erfolgreich abgeschlossen sein“, erklärt der Orthopäde.

Warum sich politisch engagieren?

Das System der KVen, die Wahlen und das Engagement in den Vertreterversammlungen sind mit viel Aufwand verbunden. Zusammengezählt engagiert sich Dr. Tenbrock durchschnittlich 60 Wochenstunden als Niedergelassener und bis zu 10 Stunden pro Woche als VV-Mitglied. „Aufgrund meiner großen Verantwortung als Arzt ist es mir wichtig, Entscheidungen selbst treffen zu können – auch unternehmerisch – und dabei politisch weisungsunabhängig zu sein“, resümiert er. Zu dieser Einschätzung kommen auch renommierte Sozialwissenschaftler. So betonte Professor Roland Czada, Politikwissenschaftler an der Universität Osnabrück, auf dem KBV-Kongress #healsy20 die Vorteile der Selbstverwaltung: „Das deutsche System der Selbstverwaltung besteht in seinen Grundzügen schon seit 1884. Das System ist leistungsfähig, sonst hätte es nicht fast 140 Jahre lang bestehen können. Umfragen zeigen immer wieder eine im internationalen Vergleich hohe Zufriedenheit und ein großes Vertrauen, das vor allem die Patienten in unser Gesundheitswesen haben.“

Auch Dr. Tenbrocks Patientinnen und Patienten sind zufrieden mit ihrem Arzt. Dieser betritt nach einem diskussionsreichen Abend in der VV am nächsten Morgen gegen 7.30 Uhr wieder die Praxis, begrüßt sein Team und nimmt an seinem Schreibtisch Platz. In der heutigen Sprechstunde wird er wieder zahlreiche Patientinnen und Patienten versorgen. Ob als praktizierender Orthopäde oder Mitglied der VV Nordrhein – Dr. Tenbrock engagiert sich mit ganzem Einsatz für die ärztliche Selbstverwaltung.

 

Katharina Lenz und Lukas Brockfeld

Das deutsche System der ärztlichen Selbstverwaltung ist weltweit einzigartig und entkoppelt das Gesundheitswesen von der Parteipolitik. Selbstverwaltung bedeutet, dass sich diejenigen untereinander organisieren, die sich täglich mit Gesundheitsversorgung beschäftigen. Neben der Ärzte- und Psychotherapeutenschaft in den KVen sind dies die gesetzlichen Krankenkassen mit ihren Versicherten und die Krankenhäuser, aber auch die Zahnärzteschaft mit ihren Vereinigungen. Die Entscheidungsträger besitzen daher ein hohes Maß an Sachverstand und sind selbst von den Konsequenzen ihrer Beschlüsse betroffen.

Mehr zum Thema Freiberuflichkeit und Selbstverwaltung unter „Wie geht‘s?“

KV

Jedes Bundesland hat eine eigene Kassenärztliche Vereinigung, kurz KV. Nordrhein-Westfalen bildet eine Ausnahme: hier gibt es mit der KV Nordrhein und der KV Westfalen-Lippe zwei. Eine KV ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und untersteht der Aufsicht des zugehörigen Gesundheitsministeriums. Ihre Aufgaben sind insbesondere die Sicherstellung der ambulanten Versorgung in ihrer Region, die Interessenvertretung der KV-Mitglieder und die Verteilung der durch die gesetzlichen Krankenkassen bereitgestellten finanziellen Mittel an die Praxen. KV-Mitglieder sind alle in der Region tätigen Vertragsärztinnen und -ärzte sowie und Vertragspsychotherapeutinnen und -therapeuten.

VV

Die Mitglieder einer KV wählen alle sechs Jahre ihre Vertreterinnen und Vertreter, die dann die Vertreterversammlung, kurz VV, bilden – quasi das Parlament der KV-Mitglieder. Nach ihrer Konstituierung wählen die VVen die Vorstände für die jeweilige Legislaturperiode. In den VV-Sitzungen werden grundsätzliche Themen der ambulanten Versorgung debattiert, aber auch Beschlüsse gefasst oder Resolutionen verabschiedet.

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