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05.10.2022

Dr. Philipp Stachwitz

„Digitalisierung bedeutet auch eine Veränderung des Mindsets“

Das Foto zeigt Dr. Philipp Stachwitz: Facharzt für Anästhesiologie, ambulant tätiger Schmerztherapeut und Experte für Digitale Medizin.
Dr. Philipp Stachwitz ist ein ausgewiesener Experte für die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Er leitete unter anderem die Stabsstelle Telematik in der Bundesärztekammer. Foto: KBV / Katharina Lenz

Dr. Philipp Stachwitz ist Facharzt für Anästhesiologie, ambulant tätiger Schmerztherapeut und Experte für Digitale Medizin. Im Klartext-Interview spricht er über Versäumnisse im Digitalisierungsprozess, Datenschutz, die Rolle der Industrie und die Zukunft digitaler Arztpraxen.

Von einem digitalisierten Gesundheitssystem ist Deutschland noch weit entfernt: Warum ist die Digitalisierung des Gesundheitswesens hierzulande so schwierig?

Wir tun uns ja nicht nur im Gesundheitswesen mit der Digitalisierung schwer, sondern auch in anderen Bereichen. Beispielsweise im Bildungswesen oder der öffentlichen Verwaltung. Das soll uns im Gesundheitswesen aber nicht entschuldigen. Ich habe mich in letzter Zeit oft gefragt: Warum tun wir uns so schwer? Ich würde sagen, dass eine mangelnde Entschlossenheit des Staates, das Ziel eines digitalisierten Gesundheitswesens durchzusetzen, ein wichtiger Grund ist. Der Staat hat diese Aufgabe entsprechend des Subsidiaritätsprinzips 2004 an die Selbstverwaltung gegeben. An eine Selbstverwaltung allerdings, die Interessensgegensätze hat und die leider dann nie wirklich gemeinsame Ziele und eine Strategie vereinbart hat. Eigentlich hat der Staat ein Gesetz gemacht und hat die Selbstverwaltung beauftragt, es umzusetzen. Es ist sicherlich gut und auch notwendig, dass es einen gesetzlichen Rahmen gibt. Aber ein Gesetz ersetzt eben keine Vision, keine Ziele und keine Strategie. Und wenn man auf das Ergebnis schaut, haben es die Selbstverwaltungspartner nicht geschafft, das umzusetzen. Ich habe viele Sitzungen miterlebt, in denen man versucht hat, irgendwie zusammenzufinden. Aber am Ende haben dann Formelkompromisse Konflikte zugedeckt, die dann auf technologischen Feldern wieder ausgetragen wurden. Und so sind oft technologische Lösungen entstanden, die völlig dysfunktional sind.

Aus meiner Sicht fehlte auch – ein weiteres maßgebliches Problem – das Commitment aller Beteiligten. Auch die verfasste Ärzteschaft hat sich zu lange nicht dafür „committed“, dass wir das Ganze als ein gemeinsames notwendiges Projekt für unser gesamtes Gesundheitswesen betrachten. Auch das hat dazu beigetragen, dass nie eine gemeinsame Strategie entwickelt wurde. Jetzt wird der Strategieprozess von der Politik angestoßen.

 

Woran mangelt es außerdem?

Ein weiterer Aspekt ist der Datenschutz. Im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern, mit derselben Datenschutz-Grundverordnung (DSVGO), wird der Datenschutz in Deutschland in einer Art und Weise praktiziert, die meines Erachtens der dringenden Notwendigkeit, die Chancen der Digititalisierung der Medizin zu nutzen, nicht angemessen ist. Wir haben Lösungen hier, die technologisch versuchen, vorab nahezu jeden nur denkbaren Verstoß zu verhindern – und sei er noch so unwahrscheinlich. Das materialisiert sich zum Beispiel in einem Konnektor, den es nach meiner Kenntnis so sonst nirgendwo auf der Welt gibt. Und so denken wir strukturell immer vom maximal möglichen Datenschutz und dem Risiko her – aber nie vom Thema Datennutzung und dem Nutzen her. Die Diskussion über „Opt-in“ oder „Opt-out“ zum Beispiel ist über 15 Jahre lang nie ernsthaft geführt worden. Das ist erst jetzt im Koalitionsvertrag gelandet. Diese Diskussion können Sie jetzt allerdings nicht nur im Kreis der gematik führen. Das ist eine gesellschaftliche Diskussion, über die Abwägung von Nutzen und Risiken. Als Ärzteschaft haben wir meines Erachtens die Pflicht, darauf hinzuweisen, dass ohne digitale Transformation der Gesundheitsversorgung eine moderne Medizin und medizinischer Fortschritt auf wissenschaftlicher Grundlage gar nicht möglich oder zumindest stark gefährdet sind.

 

Und so denken wir strukturell immer vom maximal möglichen Datenschutz und dem Risiko her – aber nie vom Thema Datennutzung und dem Nutzen her.

 

Was ist mit der Industrie?

Das Foto ist ein Symbolbild zum Thema Digitalisierung in der Medizin. Im Hintergrund hält ein Arzt einen Tablet-PC. Im Vordergrund sehen wir die Welt des Internets umgeben von verschiedene medizinische Symbolen.
Ärztinnen und Ärzte wünschen sich eine intelligente Digitalisierungsstrategie, mit wohl durchdachter Umsetzung – dem Bundesministerium für Gesundheit ist dies bislang nicht gelungen. Foto: iStock / Chinnapong

Ich denke, auch die Industrie hat in den letzten 15, 20 Jahren nicht die Rolle eingenommen, in der sie sich – auch in Kontrastierung zur Selbstverwaltung – selbst gerne sieht. Oft entstand der Eindruck, als sei die Selbstverwaltung zerstritten und die Industrie könne moderne Lösungen liefern, wenn man sie denn nur ließe. Aber schon bei der Einführung des Versichertenstammdaten-Managements (VSDM) – abgesehen davon, dass sie den Anwendern vor Ort keinen Nutzen bringt – hat sich die Industrie sehr schwer getan. Und das gilt meines Erachtens auch für viele der Anwendungen, die jetzt gerade eingeführt werden und die durchaus medizinischen Nutzen haben.

 

Wie muss Digitalisierung aussehen, damit sie die medizinische Versorgung verbessert und alle – Ärztinnen und Ärzte sowie Patientinnen und Patienten – einen echten Mehrwert davon haben?

Sie brauchen in den Einrichtungen eine Digitalisierung, die dem Stand der heutigen Technik entspricht, die interoperabel ist innerhalb der Einrichtung und zwischen den Einrichtungen und die moderne Oberflächen hat. So wie wir das alle längst aus unserem Alltag kennen. Wir brauchen vor allem eine IT, die uns – Ärztinnen und Ärzte sowie Medizinische Fachangestellte und Pflegepersonal – bei der Medizin unterstützt. Das tut sie eben oft immer noch nicht. Und sie muss natürlich auch die Administration unterstützen. Ich kann mit meiner Banking-App eine beliebige Rechnung fotografieren und es wird eine Überweisung ausgefüllt. Wie viele Ärztinnen und Ärzte können vergleichbare Funktionen aktuell im Berufsalltag nutzen? Ich kenne keine.

Und wir brauchen eine Situation, in der Anwenderinnen und Anwender wirklich wählen können, welche Software sie denn benutzen wollen. Das hat inzwischen offenbar auch der Gesetzgeber erkannt und hat einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, in dem dieses Problem adressiert wird.

 

Wir brauchen vor allem eine IT, die uns – Ärztinnen und Ärzte sowie Medizinische Fachangestellte und Pflegepersonal – bei der Medizin unterstützt. Das tut sie eben oft immer noch nicht.“

Das Foto ist ein Symbolbild, auf dem eine Ärztin vor ihrem Computer sitzt und die Hände über dem Kopf zusammenschläft.
Die Niedergelassenen stehen der Digitalisierung offen gegenüber: Angesichts unreifer und wenig praxistauglicher Anwendungen wächst jedoch die Enttäuschung. Foto: iStock / FatCamera

Wie also lässt sich der Nutzen erschließen?

Es gibt einen administrativen Nutzen, der macht für mich als Arzt Prozesse einfacher, weil ich als Arzt nicht nur Arzt bin, sondern auch ein kleiner Unternehmer und als solcher muss ich auch ständig administrativ tätig sein. Aber im Kern will ich vor allem gute Medizin machen können. Und zu guter Medizin gehört, Informationen zu haben. Der Arztberuf besteht zu ganz wesentlichen Teilen darin, Informationen aufzunehmen, vom Patienten oder von Kollegen, diese zusammenzuführen, sich – meistens in Sekunden – Gedanken darüber zu machen und dann Entscheidungen zu fällen, die Auswirkungen für den Patienten haben. Oft fehlen aber Informationen. Dazu brauche ich ein vernetztes Gesundheitswesen, um digital Daten zur Verfügung zu haben. Beispiel elektronische Patientenakte (ePA): Dazu brauchen Sie viele Dinge wie Identitätsmanagement, Sicherheits- und Serverinfrastruktur und so weiter.

„Als Ärzteschaft haben wir meines Erachtens die Pflicht, darauf hinzuweisen, dass ohne digitale Transformation der Gesundheitsversorgung eine moderne Medizin und medizinischer Fortschritt auf wissenschaftlicher Grundlage gar nicht möglich oder zumindest stark gefährdet sind.“ Foto: KBV / Katharina Lenz

Das sind eher technische Fragen. Letztendlich brauchen Sie für ein digitales Gesundheitswesen eine digitale Basisinfrastruktur. Dazu gehören zum Beispiel ein sicheres Netz, eine ePA, eine sichere digitale Kommunikationsmöglichkeit wie KIM (Kommunikation im Medizinwesen). Und – conditio sine qua non – das alles muss natürlich funktionieren! Dann aber können die einzelnen Handelnden – Ärztinnen und Ärzte, Praxen, Praxisverbünde, Verbünde zwischen Krankenhäusern und Arztpraxen – selbst entscheiden, was die für sie gerade benötigte Anwendung ist. Dann entsteht auch der Nutzen.

 

Im „Praxisbarometer Digitalisierung“ der KBV ist stets eine große Offenheit von Ärztinnen und Ärzten gegenüber der Thematik festzustellen. Zugleich wird ein Nutzen für die Versorgung erwartet. Wie lässt sich die Akzeptanz bei Ärztinnen und Ärzten steigern?

In den letzten Jahren ist in meiner Wahrnehmung in der Ärzteschaft der Wunsch nach Digitalisierung ganz klar gestiegen. Aber echte Akzeptanz kriegen wir nur dann, wenn wir ein positives Narrativ entwickeln – und wenn wir nicht immer sagen, das sei alles unsinnig und nütze nichts. Und – so ehrlich muss man sein – wir müssen sagen, dass der Prozess der Digitalisierung auch beschwerlich ist und dass der Nutzen nicht am Tag eins und über Nacht da ist. Wenn Sie Ihre Praxis im laufenden Betrieb renovieren müssen geht das ja auch nur, wenn sich alle einig sind, dass das jetzt sein muss und dass es jetzt mal eine Zeit lang anstrengend wird. Und natürlich: Die Lösungen müssen funktionieren. Das tun sie im Moment allzu oft leider nicht.

 

Das Foto zeigt einen Arzt hinter einem Netz aus Symbolen, die das Thema Datenschutz veranschaulichen sollen.
Laut dem KBV-PraxisBarometer 2021 sind insbesondere junge Ärztinnen und Ärzte offen gegenüber digitalen Anwendungen: 94 Prozent der Unter-50-Jährigen sind an die Telematikinfrastruktur angeschlossen. Foto: iStock / LeoWolfert

In der Vergangenheit hat die Politik oft per Gesetz Fristen gesetzt, innerhalb derer die Anwendungen aber noch nicht ausreichend erprobt beziehungsweise marktreif waren. Was ist hier falsch gelaufen und was empfehlen Sie, damit es besser wird?

An vielen Stellen sehen wir, dass die Sachen ungetestet in die Praxen kommen. Dann sagen die Ärztinnen und Ärzte: „Das funktioniert alles nicht.“ Aber dass zu wenig getestet wird, ist nicht zuletzt das Ergebnis von Fristsetzungen und der Reaktion der damaligen Gesellschafter der gematik darauf. Unter dem Druck der Fristen – so geschehen bei der ePA – hatte die Selbstverwaltung sich von echten Feldtests als Voraussetzung für die Einführung verabschiedet. Es wurde entschieden, dass es ausreicht, eine Spezifikation zu verabschieden. Und das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat das damals akzeptiert – offenbar auch, um irgendwie zu ermöglichen, dass Fristen gehalten werden. Ich glaube, man braucht eine dauerhafte Testregion. Man muss von kleinen zu größeren Tests kommen und muss viel stärker Arztpraxen und Krankenhäuser mit einbeziehen. Dies kann eine Aufgabe für die ärztliche Selbstverwaltung sein: Stärker dazu beizutragen, Ärztinnen und Ärzte vor Ort zu motivieren, Einblicke zu geben, an Tests mitzuwirken und damit dazu beizutragen, dass die Dinge funktionieren. Ich denke, man darf nicht nur Beteiligung fordern, man muss auch Vorschläge machen, wo man sich konkret an den Lösungen beteiligen will. Ich glaube da hätte niemand etwas dagegen.

 

Der Wissenschaftsrat bedauert unter anderem, dass ein gesellschaftlicher Konsens zur Nutzung und zum Teilen von Gesundheitsdaten immer noch nicht erkennbar sei und die Nichtnutzung von Daten Menschenleben kosten könne. Hat Deutschland eine Sonderrolle im Vergleich zu anderen Ländern?

„In den letzten Jahren ist in meiner Wahrnehmung in der Ärzteschaft der Wunsch nach Digitalisierung ganz klar gestiegen. Aber echte Akzeptanz kriegen wir nur dann, wenn wir ein positives Narrativ entwickeln.“ Foto: KBV / Katharina Lenz

Es gibt Studien und Umfragen, die zeigen, dass die Bürgerinnen und Bürger, auch wenn sie in der Rolle der Patientinnen und Patienten sind, sehr wohl bereit sind, ihre Daten zu teilen. Heute tun das viele Menschen unwissentlich über ihre Smartphones. Sie stellen dort ihre Daten amerikanischen oder chinesischen IT-Konzernen zur Verfügung – aber eben nicht unserem eigenen Gesundheitswesen. Wenn wir einen gesellschaftlichen Konsens haben wollen, brauchen wir eine gesellschaftliche Debatte. Wir brauchen über das Thema Datennutzung eine Diskussion, ganz ähnlich wie beispielsweise um das Thema Organspende.

 

Wenn wir einen gesellschaftlichen Konsens haben wollen, brauchen wir eine gesellschaftliche Debatte. Wir brauchen über das Thema Datennutzung eine Diskussion, ganz ähnlich wie beispielsweise um das Thema Organspende.“

 

Corona hat offengelegt, welche Defizite Deutschland in Sachen Datenerhebung im Gesundheitswesen hat. Zugleich zeigt die Pandemie, wie wichtig Digitalisierung ist. Wie sehen Ihre Lehren aus dieser Zeit aus?

Ich habe den Eindruck, dass Corona dazu geführt hat, dass sich auch in der Ärzteschaft ein klares Verständnis und eine Zustimmung dafür entwickelt hat, dass wir Digitalisierung brauchen, dass sie uns wirklich oft fehlt. Und es wurden positive Erfahrungen gemacht. Nehmen Sie das Beispiel Videosprechstunde. Bestimmte Arztgruppen haben für sich festgestellt: „Ich kann viel mehr damit machen und sogar gut machen.“ Die Vorstellungskraft und die Bereitschaft, stärker digital unterstützt zu arbeiten, ist gewachsen.

 

Das Foto zeigt ein Symbolbild zum Thema Digitalisierung in der Medizin. Im Hintergrund sehen wir einen Laptop auf dem ein Stethoskop liegt. Im Vordergrund sehen wir ein elektronisches Netz von medizinischen Symbolen.
Damit die versprochenen Vorteile der Digitalisierung in den Praxen ankommen, ist es wichtig, neue Anwendungen ausgiebig und mit genügend Vorlauf zu testen. Foto: iStock / ipopba

Stichwort Gesundheits-Apps: Wie wichtig sind DiGAs?

Da wo Menschen krank sind und wo es um den aktiven Umgang mit der Erkrankung, das Selbstmanagement und die Selbstwirksamkeit von Patientinnen und Patienten geht, stehen wir oft vor großen Herausforderungen. Vor allem bei chronischen Erkrankungen. Das weiß jeder Arzt und jede Ärztin. Insofern ist der Ansatz, die Patientinnen und Patienten über so etwas wie die Digitalen Gesundheitsanwendungen mit einzubeziehen, meines Erachtens sehr sinnvoll und richtig. Ich finde gut, dass in diesem Bereich unseres Gesundheitswesens innovativ gearbeitet wird. Allerdings müssen diese Anwendungen auch wirklich wissenschaftlich nachweisen, dass es funktioniert. Man kann eine Phase des Erprobens und Ausprobierens haben. Das sollte man auch finanzieren. Aber irgendwann muss geschaut werden, dass nur die Dinge bezahlt werden, die auch wirklich eine Evidenz haben. Die DiGAs müssen das bringen, was sie postulieren.

 

Lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft werfen: Wie digital ist die Arztpraxis in zehn Jahren?

Das kann ich nicht sagen – Prognosen für die Zukunft will ich nicht abgeben. Aber eine digitale Arztpraxis in zehn Jahren sollte den Ärztinnen und Ärzten durchweg helfen, einen viel besseren Einblick in das zu bekommen, was sie tun – medizinisch und administrativ.

Die Vorstellungskraft und die Bereitschaft, stärker digital unterstützt zu arbeiten, ist laut Stachwitz in der Corona-Zeit gewachsen. Foto: KBV / Katharina Lenz

Sie sollten mit digitalen Hilfsmitteln unterstützt werden, aktuell leitliniengerecht zu arbeiten oder zum Beispiel seltene Erkrankungen schneller zu erkennen. Das ist ja technisch keine Science-Fiction mehr. Es muss eben nur implementiert werden. Eine digitale Arztpraxis sollte außerdem Daten für die Forschung zur Verfügung stellen können. Und entscheidend ist, dass eine digitale Arztpraxis vernetzt ist. Eine digitale Arztpraxis arbeitet nicht mehr als ein Solitär. Sie ist – egal, ob Hausarzt- oder Facharztpraxis – Teil von einem Netzwerk von verschiedenen Einrichtungen im Gesundheitswesen, zwischen denen Patientinnen und Patienten sich ja oft hin und her bewegen. Alle, die etwas schwerer krank sind, sind in der Regel nicht nur bei ihrer Hausärztin in Behandlung, sondern immer auch woanders. Sei es bei einer Spezialambulanz im Krankenhaus, sei es bei einem niedergelassenen Facharzt oder auch mehreren.

 

Was ist für die Vernetzung nötig?

Ich denke, die ambulante Medizin muss stärker ein Verständnis dahingehend entwickeln, dass sie ihr Leistungsangebot gemeinsam anbietet. Das heißt, dieses Angebot stärker aus der Perspektive der Patientinnen und Patienten zu betrachten. Patientinnen und Patienten brauchen einen „Termin“ – nicht selten sogar mehrere bei verschiedenen Ärztinnen und Ärzten. Und sie wünschen sich, dass diese vernetzt miteinander arbeiten. Wenn die Ärzteschaft den jetzt entstehenden, finanzstarken, hocheffizienten und zudem ambulant-stationär sehr gut digital vernetzten Strukturen etwas entgegensetzen will, muss sie ein 24/7 erreichbares Gesamtangebot an Terminen und zum Beispiel auch telemedizinischen Akutsprechstunden schaffen. Dazu gehört auch ein Verständnis von mir als Arztpraxis, dass ich Teil eines solchen Gesamtangebots bin. Denn die Patientinnen und Patienten suchen dieses Gesamtangebot. Und wo suchen sie das? Über ihr Smartphone. Die KBV hat mit der 116117 schon eine solche Marke geschaffen. Im Grunde ist das ein Anlaufpunkt. Um das konsequent weiterzuentwickeln, braucht sie natürlich die Ärztinnen und Ärzte. Die Ärztinnen und Ärzte müssen aber auch selber sagen, wir finden das okay, dass wir unter dieser „Dachmarke“ sind. Das ist für mich die eigentliche Herausforderung der Digitalisierung. Denn Digitalisierung ist nicht nur, einen Computer hinzustellen, sondern sie bedeutet auch eine Veränderung des Mindsets.

 

Die Fragen stellte Thomas Schmitt