07.04.2022
Drei Fragen an ...
Dr. Ralph Krolewski
1. Was kann eine Arztpraxis zum Klimaschutz beitragen?
Es gibt Handlungsfelder, in denen man sofort handeln kann. Jede Arztpraxis kann durch einen Anbieterwechsel beispielsweise auf grünen Strom umstellen. Das ist schon mal ein wichtiger Schritt. Punkte wie Gebäudesanierung und Wärmebedarf sind in den meisten Praxen in der Regel, vor allem auch wenn man Mieter ist, nicht so schnell durchzuführen. Das hängt dann von den Rahmenbedingungen ab, wie das gefördert wird und wie weit sich Vermieter bewegen. Sie können im Bereich Abfallwirtschaft bei Einmalartikeln und der Energieeffizienz der eingesetzten Geräte handeln. Aber alles, was Sie im Energiebereich machen, macht maximal 31 Prozent aus. Die anderen großen Felder sind die, die man aktiv gestalten kann: Erst einmal ist wichtig, welche Ziele kann und will ich erreichen? Zum Beispiel in der Patientenversorgung: Auf welche überflüssigen Prozeduren kann ich dort verzichten? Es kann natürlich sein, dass es auch ein wirtschaftliches Interesse gibt. Das geht dann über IGeL-Leistungen. Jemand, der viele IGeL-Leistungen anbietet, was nicht nachweislich mit Wirksamkeit verbunden ist, der erhöht seine Umsätze, aber er belastet im Grunde das Klimabudget. Neben zweckmäßigem Handeln ist eine koordinierte Versorgung wichtig: Auch der Ressourcenverbrauch beispielsweise durch sogenanntes „Doktor-Hopping“ zwischen Haus- und Facharztebene ist klimaschädlich.
2. Was lässt sich sonst noch tun?
Mobilitätsverhalten ist ebenso ein spannendes Thema. Ich bin niedergelassen im Bergischen Land. Ich fahre hier 95 Prozent aller meiner Wege mit dem Elektro-Bike. Meine Hausbesuche erledige ich seit vielen Jahren auf diesem Weg. Also ich fahre zum Beispiel auch Hausbesuche regelmäßig in eine Nachbargemeinde. Das ist eine Entfernung von acht Kilometern. Da bin ich in 15 Minuten. Das tut mir gut. Ich bin zeitlich hoch belasteter Land-Hausarzt. Wir treten hier an mit einer Belastung von 60 Stunden in der Woche. Und was die eigene Resilienz betrifft in Richtung Gesunderhaltung, heißt, dass wir auch Bewegung im Alltag brauchen, auch bei hoher zeitlicher Inanspruchnahme. Das hat nicht nur physiologische, sondern auch psychosomatische Auswirkungen. Und genau an diesen Themen arbeite ich auch mit Patientinnen und Patienten. Ich arbeite mit ihnen an der Primär- und Sekundärprävention, inwieweit Ernährung und Bewegung ihre gesundheitliche Situation verbessern und bei bereits eingetretenen Erkrankungen sie für Folgeschäden präventiv schützen können. Wir haben durch Bewegungsmangel und falsche Ernährung ungefähr 155.000 vorzeitige Tote pro Jahr in Deutschland, dazu noch 74.000 durch Luftschadstoffe. Wenn wir da Änderungen schaffen, würden wir gleichzeitig die Klimabilanz verbessern.
3. Sie bieten eine „Klimasprechstunde“ an. Was hat es damit auf sich?
Die Bezeichnung Klimasprechstunde war erst einmal nur ein Arbeitstitel. Es geht darum, dass ich das Bewusstsein ums Klima, also die drohenden und eingetretenen Veränderungen im Klimasystem, umsetze in Fragen, was passiert in dem Begegnungsraum mit den Patientinnen und Patienten – da wo ich ihnen begegne, sie untersuche, sie berate, sie behandle. Das ist Sprechstunde. Weil Sprechstunde findet nicht schweigend statt. Ich bin ja kein Pathologe. Die gesamte Medizin an sich ist eine sprechende Medizin. Wir sind immer in Beziehungen, einmal zu unserem eigenen Leben und zu den Patientinnen und Patienten. Wenn wir da eine Entscheidung treffen, was wichtig ist, ist die Frage, mit welchem Narrativ und welches Wissen brauchen wir. Das Wissen, mit dem ich arbeite, ist ja kein traditionelles medizinisches Wissen, das ich im Studium gelernt habe oder bei den meisten ärztlichen Fortbildungen. Es ist eigentlich alles bekannt. Es geht jetzt darum, ins Handeln zu kommen.