30.04.2021

Karin Maag, CDU-Gesundheitsexpertin

„Eine Bürgerversicherung ist definitv keine Lösung“

Das Foto zeigt die CDU-Gesundheitsexpertin Karin Maag am Rednerpult im Deutschen Bundestag.
CDU-Gesundheitsexpertin Karin Maag während einer Plenarsitzung im deutschen Bundestag. Foto: imago-images/Christian Spicker

Karin Maag ist Rechtsanwältin, Mitglied des Deutschen Bundestages und gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.Im Klartext-Interview spricht sie über die Lehren aus der Pandemie, die Versorgungssicherheit bei Arzneimitteln und die gesundheitspolitischen Pläne der Union im Wahlkampf.

Fehlende Impfstoffdosen, Defizite bei der nationalen Teststrategie, Lockdowns mit schwindender Akzeptanz in der Bevölkerung: Warum ist so einiges in der Corona-Pandemie falsch gelaufen?

Klipp und klar: Ja, wenn ich rückblickend auf die Pandemiebewältigung schaue, wurden auf allen Entscheidungsebenen – EU, Bund, Länder – auch Fehler gemacht. Heute wissen wir vieles besser. Ich will der wissenschaftlichen Aufarbeitung, die wir ja bereits gesetzlich in Auftrag gegeben haben, nicht vorgreifen, aber ich sehe schon, dass vor allem der Abstimmungsbedarf zwischen den verschiedenen Zuständigkeitsebenen lähmt. Dennoch sind wir in Deutschland bislang verhältnismäßig gut durch die Corona-Pandemie gekommen. Das haben wir nicht zuletzt der großartigen Arbeit der Beschäftigten in unserem Gesundheits- und Pflegewesen, der öffentlichen Gesundheitsämter, des Robert Koch-Institutes und der Umsicht und dem verantwortungsvollen Verhalten der meisten Menschen in unserem Land zu verdanken.

Auch die gesundheitspolitischen Maßnahmen, die wir durch viele Gesetze und Verordnungen, zum Beispiel in Form von Rettungsschirmen in allen notwendigen Bereichen erlassen haben, sind ein wesentlicher Bestandteil unserer Krisenbekämpfung. Soweit der Bund und nicht die Länder für die Testungen zuständig ist, hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die Corona-Teststrategie konsequent an die dynamische Entwicklung angepasst. Seit Januar ist nun das Schnelltestangebot größer als die Nachfrage, das BMG hat auch frühzeitig die rechtlichen Voraussetzungen für die Abgabe der Eigentests geklärt und mit Rahmenverträgen die Voraussetzungen geschaffen, dass die zuständigen Länder ihren Testbedarf decken konnten, jedenfalls bevor sie in Ausschreibungsverfahren gegangen sind.

Zum Thema Impfen freue ich mich, dass jetzt die angekündigten Impfstofflieferungen deutlich Fahrt aufnehmen und dass (Stand heute) 20 Millionen Bürgerinnen und Bürger zumindest einmal geimpft sind. Mit dem Start der Impfungen in den Praxen seit Ostern, leisten die Ärztinnen und Ärzte dort nun einen großartigen Beitrag, um eine schnellstmögliche flächendeckende Durchimpfung der Bevölkerung zum Schutz vor Covid-19-Erkrankungen zu erreichen und wir sorgen dafür, dass künftig deutlich mehr Impfstoffe an die Praxen gehen.

Welche Lehren lassen sich aus dem Umgang mit der Pandemie für unser Gesundheitssystem ziehen – sowohl national als auch europäisch?

Ich will der wissenschaftlichen Aufarbeitung, die wir ja bereits gesetzlich in Auftrag gegeben haben, nicht vorgreifen, aber ich sehe schon, dass vor allem der Abstimmungsbedarf zwischen den verschiedenen Zuständigkeitsebenen lähmt. So halte ich es aus der Erfahrung der letzten Monate für notwendig, dass der Bund in der Bekämpfung der Corona-Pandemie insgesamt die Zuständigkeit für solche nationalen Notsituationen übernimmt. Wir haben aber nicht nur Abstimmungs-, sondern auch Umsetzungsdefizite. Bereits im letzten Jahr hat der Bund mehrere Milliarden in die Hand genommen, um die in Landeszuständigkeit stehenden Gesundheitsämter zu ertüchtigen oder den Krankenhäusern bei der Digitalisierung unter die Arme zu greifen. Mit dem vierten Infektionsschutzgesetz werden wir hier eine wichtige Lücke schließen.

Die Zusammenarbeit der EU hat sich im Verlauf der Corona-Pandemie grundsätzlich bewährt, wenngleich es bei der Impfstoffbestellung teils gehapert hat. Die europäische Kooperation ist jedoch essentiell, um zu gewährleisten, dass die gesamte europäische Bevölkerung mit sicheren Schutzimpfungen gegen Covid-19 versorgt wird. Darüber hinaus beteiligt sich die Europäische Union an der globalen Impfstoffinitiative COVAX, um Impfstoffe weltweit verfügbar, bezahlbar und zugänglich zu machen.

Eine wichtige Konsequenz aus der ersten Phase der Pandemie, in der Schutzausrüstung in der gesamten EU knapp war, sind die sogenannten „Joint Procurement Agreements“. Deutschland, andere Mitgliedstaaten und die EU-Kommission haben in diesem Rahmen Vereinbarungen getroffen, um gemeinschaftlich Schutzausrüstung und Beatmungsgeräte zu beschaffen. Durch eine entsprechende EU-Verordnung wurde unter Berücksichtigung des Covid-19-Ausbruchs eine Soforthilfe für den Zeitraum ab dem 1. Februar 2020 bis zum 31. Januar 2022 aktiviert. Im Mittelpunkt stehen dabei bedarfsorientierte Sofortmaßnahmen im Gesundheitswesen, um die europäischen Gesundheitssysteme während der Covid-19-Pandemie schnell und koordiniert zu unterstützen. Das war eine wichtige Konsequenz aus der Anfangsphase.

Früher galt Deutschland als „Apotheke der Welt“. Wie können wir wieder unabhängiger von Arzneimittelproduktionen im Ausland werden und möglichen Lieferengpässen bei Medizinprodukten vorbeugen?

Corona-Impfstoffe verschiedener Hersteller: Karin Maag freut sich, dass die Lieferungen deutlich Fahrt aufnehmen. „Wir sorgen dafür, dass künftig deutlich mehr Impfstoffe an die Praxen gehen“, sagt die CDU-Politikerin. Foto: imago-images/ANP/Hollandse Hoogte/Rob Engelaar

Die Themen Lieferengpässe und Versorgungssicherheit bei Arzneimitteln haben in der jüngeren Vergangenheit – nicht nur, aber auch bestärkt durch die Covid-19-Pandemie – an Bedeutung gewonnen. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Herstellung bewährter Wirkstoffe vor allem durch Kostendruck und hohe regulatorische Anforderungen auch im Umweltbereich fast vollständig in Länder auf Kontinenten mit niedrigen Lohn- und Produktionskosten verlagert. Qualitätsprobleme in Produktionsstätten und der weltweit wachsende Bedarf führen in Europa und damit auch in Deutschland nun zu immer mehr Engpässen bei der Arzneimittelversorgung. Das verunsichert Patienten und schafft einen erhöhten Aufwand für Ärztinnen, Ärzte und Apotheken. Deswegen müssen wir Lieferengpässen nachhaltiger vorbeugen, eine dauerhaft zuverlässige Versorgung mit sicheren Arzneimitteln gewährleisten und dabei gleichzeitig wichtige Wirtschaftlichkeitsreserven ausschöpfen sowie eine ausreichende Finanzierung sicherstellen. In dieser Legislaturperiode haben wir bereits einiges für eine sicherere Arzneimittelversorgung getan und uns vor allem als CDU/CSU-Bundestagsfraktion dafür stark gemacht:

So haben wir mit dem GSAV (Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung) die Konsequenzen aus den Arzneimittelskandalen (Lunapharm/Valsartan) gezogen und die Zusammenarbeit zwischen den Behörden von Bund und Ländern verbessert, inklusive einer Informationspflicht über Rückrufe, die zu Versorgungsmangel führen könnten. Wir haben dabei die Koordinierungsfunktion von Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte beziehungsweise Paul-Ehrlich-Institut gestärkt, um Rückrufe auf Ebene der Bundesländer zu regeln und so Versorgungsengpässe zu verhindern. Ebenso haben wir die Krankenkassen verpflichtet, bei Rabattverträgen sowohl die Vielfalt der Anbieter, als auch die Gewährleistung einer ununterbrochenen und bedarfsgerechten Lieferfähigkeit zu berücksichtigen, um Engpässen entgegenzuwirken.

Im Rahmen des Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetzes haben wir uns dafür eingesetzt, die Meldepflicht bei Lieferengpässen von versorgungsrelevanten Arzneimitteln auszubauen und eine längere Vorratshaltung zu schaffen. Zusätzlich können Bundesoberbehörden nun Vorgaben zur Lagerhaltung für versorgungskritische Arzneimittel erteilen – in der Coronakrise hat das BfArM von dieser Regelung bereits Gebrauch gemacht. Bei Rabattverträgen sind Apotheken nun verpflichtet, diese preisgünstigen Arzneimittel abzugeben. Falls nicht verfügbar, dürfen künftig vergleichbare Medikamente abgegeben werden. Sind diese teurer als der Festbetrag, trägt aber nicht der Versicherte die Mehrkosten, sondern die Krankenkasse. Außerdem wurde ein fester Beirat eingesetzt, um die Versorgungslage mit Arzneimitteln kontinuierlich zu beobachten und zu bewerten.

In der Forschung: Die Union will sich in der kommenden Legislaturperiode dafür starkmachen, die Arzneimittelproduktion in Deutschland und in der Europäischen Union zu fördern. Foto: iStock.com/Rapeepat/Pornsipak

Tatsache ist: So wichtig die neuen Maßnahmen sind – Lieferengpässe, die ursächlich in den Herstellungsländern bedingt sind oder durch Verknappung des international verfügbaren Wirkstoffes ausgelöst werden, können wir damit nicht komplett beheben. Eine wichtige Voraussetzung, um den Produktions- und Innovationsstandort Europa beziehungsweise Deutschland zu stabilisieren und die Produktion zurück auf unseren Kontinent zu verlagern, ist die Wirtschaftlichkeit – denn nur wenn es sich für die Hersteller rentiert, ihre Arzneimittel in Europa zu produzieren, wird dies auch eine dauerhafte Möglichkeit sein. Um die Herstellung von Arzneimitteln in Deutschland, beziehungsweise Europa, ansatzweise wirtschaftlich zu gestalten, sollten wir unter anderem darüber nachdenken, das Preismoratorium zu reformieren. Darüber hinaus wollen wir die Diskussion um Rabattverträge der Krankenkassen mit den Pharmaunternehmen weiterführen und über die verpflichtenden Mehrfachabgaben diskutieren. Im Vergaberecht müssen wir prüfen, wie ein Hersteller, der lückenlos eine europäische Lieferkette nachweisen kann, Zuschläge für einen Rabattvertrag erhalten könnte.

In der Corona-Krise hat die Digitalisierung – zum Beispiel in Form von Videosprechstunden – einen Schub erfahren. Für viele Ärztinnen und Ärzte in ihren Praxen sind zahlreiche Vorgaben und Fristen aber eher belastend statt hilfreich. Wie lässt sich das verbessern?

Das Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (Digitale-Versorgung-Gesetz – DVG), welches am 19. Dezember 2019 in Kraft getreten ist, bringt viele Erleichterungen und Unterstützung, auch für Ärztinnen und Ärzte, mit sich. So wird die IT-Sicherheit bei den niedergelassenen Ärztinnen, Ärzten, Zahnärztinnen und Zahnärzten nachhaltig gestärkt. Hierzu erhält die Selbstverwaltung den Auftrag, IT-Sicherheitsstandards verbindlich festzuschreiben. Zertifizierte Dienstleister können die Praxen bei der Umsetzung unterstützen. Damit sorgen wir dafür, dass die sensiblen Gesundheitsdaten in den Praxen auch in der Zukunft sicher geschützt werden. Darüber hinaus dürfen Ärztinnen und Ärzte künftig auf ihrer Internetseite über Videosprechstunden-Angebote informieren. Und auch die allgemeine Aufklärung über eine Videosprechstunde kann jetzt online erfolgen.

Für möglichst bereits mit der Kostenträgerseite abgestimmte Vorschläge, die hier Entlastung bringen würden, bin ich gerne offen.

Bislang scheinen vor allem Kassen und Industrie von der Digitalisierung zu profitieren. Mitte 2021 soll das Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungsgesetz (DVPMG), kurz: drittes Digitalisierungsgesetz, in Kraft treten. Was bringt es Ärztinnen und Ärzten?

Das Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungsgesetz (DVPMG) regelt unter anderem, dass die klare Betriebsverantwortung für die Telematikinfrastruktur in Zukunft bei der Gematik liegen wird. Damit wird auch klargestellt, dass beispielsweise für Ausfälle nicht die Ärztin oder der Arzt die Verantwortung trägt, sondern dass diese bei der Gematik liegt. Das ist, so hören wir es auch aus der Ärzteschaft, eine wichtige Verbesserung.

Zudem soll dort geregelt werden, dass die Arztpraxen nicht mehr für die Datenschutz-Folgenabschätzung nach der Datenschutzgrundverordnung verantwortlich sind, was ebenfalls eine wesentliche Erleichterung darstellt. Ärztinnen und Ärzte werden dadurch erheblich von Bürokratie entlastet: Die Einsparungen betragen einmalig rund 730 Millionen Euro für die Erstellung der Datenschutz-Folgenabschätzung und jährlich rund 548 Millionen Euro für Anpassungen. Außerdem werden Kosten von rund 427 Millionen Euro jährlich eingespart, weil die Leistungserbringer keinen Datenschutzbeauftragten benennen müssen.

SPD und Grüne kündigen in ihren Wahlprogrammen einmal mehr die Einführung einer „solidarischen“ Bürgerversicherung an. Wie stehen Sie zu diesem „alten Wahlkampfschlager“?

Die Einführung einer Bürgerversicherung ist definitiv keine Lösung für die Herausforderungen, vor denen unser Gesundheitssystem in den kommenden Jahren stehen wird. Das Nebeneinander von privater und gesetzlicher Krankenversicherung und der damit einhergehende Systemwettbewerb haben sich im Hinblick auf die Qualität der Krankenversicherung in Deutschland bewährt. Gerade Menschen, die sich nur in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichern können, profitieren von dem Wettbewerb der Systeme. In der privaten Krankenversicherung werden neue, innovative Leistungen schneller Bestandteil der Regelversorgung. Damit wird der Druck auf die GKV erhöht, diese Leistungen ebenfalls in den Leistungskatalog aufzunehmen. Außerdem besteht damit auch immer ein Vergleichsmaßstab für die GKV, weswegen eine Reduzierung von Leistungen schwerer fällt. Folglich bestünde ohne die Dualität der Systeme die Gefahr, dass der Leistungskatalog nicht mehr dem medizinischen Fortschritt angepasst und sogar mittelfristig auf eine minimale Grundversorgung reduziert wird. Dies würde insbesondere für die einkommensschwachen Bevölkerungsteile ein Problem darstellen, da es ihnen schwerfallen dürfte, Schwächen eines solchen Leistungskatalogs über Zusatzversicherungen abzusichern.           

Darüber hinaus hat eine Studie belegt, dass dem deutschen Gesundheitswesen durch die private Krankenversicherung (PKV) rund 12,89 Milliarden Euro (laut Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der PKV (WIP)) mehr zur Verfügung stehen. Daraus folgt eine entsprechend positive Auswirkung für die Versorgungslandschaft insgesamt.

Der Einführung einer Bürgerversicherung stehen zudem erhebliche verfassungsrechtliche Hürden entgegen. Diese beziehen sich beispielsweise auf die bereits gebildeten Alterungsrückstellungen in der privaten Krankenversicherung.

Die Sozialdemokraten fordern zudem eine Neuordnung der Rollenverteilung zwischen ambulantem und stationärem Sektor, wollen die Sektorengrenzen „überwinden“. Wie könnten Sie sich eine stärkere Zusammenarbeit vorstellen?

Karin Maag im Bundestag: Die CDU-Politikerin plädiert dafür, in der kommenden Legislaturperiode die sektorenübergreifende Versorgung voranzubringen. Foto: imago-images/Future Image/C. Hardt

Die Unionsfraktion setzt sich bereits seit Jahren dafür ein, Maßnahmen voranzutreiben, um die Zusammenarbeit zwischen dem ambulanten und dem stationären Sektor zu verbessern. Hier möchte ich etwa auf das ambulante Operieren oder die Notfallambulanzen in den Kliniken hinweisen. Zwingend dafür ist meines Erachtens ein Kosten- und Vergütungsrahmen, der von beiden Seiten akzeptiert wird.

In dieser Legislaturperiode haben wir uns in einer Arbeitsgruppe beim Bundesgesundheitsministerium gemeinsam mit den Bundesländern zudem intensiv darüber ausgetauscht, wie die Zusammenarbeit und Vernetzung im Gesundheitswesen ausgebaut und weitere nachhaltige Schritte für eine sektorenübergreifende, am medizinisch-pflegerischen Bedarf der Patientinnen und Patienten ausgerichteten Versorgung eingeleitet werden kann. Diesen Prozess werden wir in dieser Wahlperiode nicht zu Ende bringen können. Allerdings steht die Weiterentwicklung zu einer sektorenübergreifenden Versorgung des stationären und ambulanten Systems ganz oben auf der Agenda zu Beginn der neuen Wahlperiode.

Die Grünen planen eine interdisziplinäre Zusammenarbeit bei den Gesundheitsberufen, um die Aufgabenverteilung so zu reformieren, dass Gesundheits- und Pflegeberufe mehr Tätigkeiten eigenverantwortlich übernehmen. Wo sehen Sie die Chancen und Risiken?

Die Gesundheits- und Pflegefachberufe leisten für die Aufrechterhaltung unseres guten Versorgungssystems einen entscheidenden Beitrag. Wir wollen als Union die Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe noch weiter stärken. Dafür haben wir in dieser Wahlperiode bereits an zahlreichen Stellschrauben gedreht, um die Gesundheitsberufe weiter zu stärken. So haben wir mit dem Gesetz zur Reform der Pflegeberufe, das im Juli 2017 verkündet wurde, den Weg für eine zukunftsfähige und qualitativ hochwertige Pflegeausbildung für die Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege geebnet. Dabei haben wir uns auch dafür eingesetzt, dass zukünftig kein Schulgeld mehr gezahlt werden muss.

Dabei bleiben wir bei unserem Grundsatz, dass alle Gesundheitsberufe auch künftig nur diese Aufgaben übernehmen sollten, für die diese auch ausgebildet sind.

Für den Pflegebereich haben wir zudem erstmals bestimmte berufliche Tätigkeiten geregelt, die nur von entsprechend ausgebildetem Personal ausgeführt werden dürfen. Zudem haben sich Bund und Länder Anfang März 2020 auf ein Gesamtkonzept Gesundheitsberufe verständigt, um die Modernisierung der Berufsgesetzte (unter anderem der Ergotherapeuten, Diätassistenten, Logopäden) voranzutreiben. Themenschwerpunkte sind die Abschaffung des Schulgeldes, die Einführung einer Ausbildungsvergütung, die Schaffung einheitlicher Qualitätsstandards für die Ausbildung, Fragen einer Akademisierung sowie die Fragen der Finanzierung. Umfasst sind dabei insgesamt zehn Gesundheitsfachberufe. In dieser Wahlperiode haben wir bereits das Gesetz über den Beruf des Operationstechnischen Assistenten und des Anästhesietechnischen Assistenten (OTA-ATA-Gesetz), das Gesetz über den Beruf des pharmazeutisch-technischen Assistenten, das Hebammenreformgesetz, das MTA-Reformgesetz sowie das Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung verabschiedet, die bereits im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurden. Auf der Grundlage des Gesamtkonzepts werden wir auch die weiteren Berufsgesetze novellieren. Dabei bleiben wir bei unserem Grundsatz, dass alle Gesundheitsberufe auch künftig nur diese Aufgaben übernehmen sollten, für die diese auch ausgebildet sind.

Wo werden die gesundheitspolitischen Schwerpunkte der Union im Wahlkampf und ‑programm liegen?

In der kommenden Legislaturperiode wollen wir uns weiter dafür einsetzen, dass das deutsche Gesundheitssystem zukunftsfest und krisensicher ist. Hier werden wir vor allem die Lehren der Pandemie auswerten müssen. Wie vorab bereits im Detail erläutert, werden wir uns zudem insbesondere auch in der kommenden Legislaturperiode dafür starkmachen, die Arzneimittelproduktion in Deutschland und in der Europäischen Union zu fördern sowie die sektorenübergreifende Versorgung voranzubringen. Nicht zuletzt wollen wir die derzeit angestoßene Pflegereform realisieren, wenn diese womöglich bis zur Bundestagswahl nicht mehr durchzusetzen ist. Weitere Stichworte sind vor allem die Finanzsituation der Kranken- und Pflegeversicherung, die Prävention, die Notfallversorgung, die Vergütungssystematik im Krankenhaus und natürlich die Gebührenordnung für Ärzte.

Wie auch immer die Mehrheitsverhältnisse im September aussehen werden: Welche gesundheitspolitischen Forderungen wären Sie am ehesten bereit, in Koalitionsverhandlungen aufzugeben?

Grundsätzlich gehen wir mit unseren Forderungen optimistisch in Verhandlungen. Schließlich haben wir in den vergangenen Jahren gezeigt, dass es selbst bei schwierigen Fragen immer die Möglichkeit einer Kompromisslinie gibt.

Die Fragen stellte Thomas Schmitt