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30.04.2021

Dr. Janosch Dahmen, Bündnis 90/Die Grünen

Haus-, Fach- und Betriebsärztinnen und -ärzte als Turbo für die Impfkampagne

Das Foto zeigt Dr. Janosch Dahmen, Mitglied des Bundestages und des Gesundheitsausschusses der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Dr. Janosch Dahmen ist Mitglied des Bundestages und des Gesundheitsausschusses der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Foto: Stefan Kaminski, Bildrechte: Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

Mehr als drei Monate nach der Zulassung des ersten Impfstoffs gegen Covid-19 geht die Impfkampagne in Deutschland weiter nur schleppend voran. Neben externen Faktoren, wie Lieferschwierigkeiten einzelner Hersteller, liegt dies vor allem an dem unzureichenden Krisenmanagement der Bundesregierung, der mangelhaften Koordination der Impfungen, einer Überbürokratisierung und dem starren Festhalten der Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen an den zentralistischen Impfzentren.

Jedes Jahr impfen Haus-, Fach- und Betriebsärztinnen und -ärzte mehrere Millionen Menschen im Rahmen der Grippeschutzimpfung. Während die Verimpfung über Impfzentren schon sehr bald an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen wird, müssen wir bereits die Zeit vorbereiten, wo aus Impfstoffknappheit ein Überschuss und die bisherigen Impflogistik nicht mehr ausreichen wird. Alleine die Hausärztinnen und Hausärzte könnten nach eigenen Angaben bis zu 2,5 Millionen Menschen in der Woche gegen SARS-CoV-2 impfen. Das Potenzial dieser erprobten Alltagsstrukturen kann die Impfkampagne auf das nächste Level heben und die Auswirkungen der Pandemie damit spürbar schneller reduzieren.

Die Bundesregierung hat zwar in den letzten Wochen Vorschläge zur Einbindung der Hausärztinnen und Hausärzte vorgelegt und Verordnungen entsprechend angepasst, die Anpassungen kommen – wie Vieles in dieser Pandemiebewältigung – jedoch zu langsam und spät. Dass Impfziele nicht nur unter Einbeziehung der Impfzentren und mobiler Impfteams erreicht werden können, war schon vor Monaten klar. Eine entsprechende Vorbereitung der Logistik und Information der Fachleute blieb trotzdem aus. Dass nun erst im April und zunächst nur nach und nach Hausärztinnen und Hausärzte in die Impfkampagne einbezogen werden sollen, spiegelt die Wichtigkeit der Impfkampagne für unsere Gesellschaft in keiner Weise wider. Wir müssen dem Virus endlich einen Schritt voraus sein und in einen schnelleren und flexibleren 24/7-Rhythmus beim Impfen kommen. Dazu zählt auch, dass wir jetzt vorbereiten müssen, wie wir Fach- und Betriebsärztinnen und -ärzte schnellstmöglich in die Impfkampagne einbinden!

Die Impfung durch Haus-, Fach- und Betriebsärzteschaft bietet besonders für Risikogruppen entscheidende Vorteile. Ärztinnen und Ärzte haben oft langjährige Beziehungen zu ihren Patientinnen und Patienten. Ein wichtiger Informationsvorteil gegenüber Impfzentren, besonders bei Einzelfallentscheidungen innerhalb der Impfpriorisierung, der auch das Ausstellen von Bescheinigungen über die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Prioritätsgruppe obsolet macht. Das würde eine wesentliche Verringerung des Aufwands für alle bedeuten. Ein oftmals bestehendes Vertrauensverhältnis fördert außerdem die Impfbereitschaft und verringert die Anamnesezeiten. Gerade bei Unsicherheiten – wie zuletzt bei der Debatte rund um möglicherweise seltene Nebenwirkungen beim Impfstoff AstraZeneca geschehen – ist dieses Vertrauensverhältnis unverzichtbar.

Gegenargumente, die eine zu geringe Zahl an verfügbaren Impfdosen oder zu aufwendige Logistik heranführen, verfangen nicht. Bei drei Millionen nicht-verimpften Dosen (im 7-Tage-Mittel) und mittelfristig stark ansteigender Zahl verfügbarer Impfstoffe ist eine Einbeziehung von Praxen auch jetzt schon zwingend erforderlich. Besonders neu zugelassene Präparate wie jene von AstraZeneca oder Johnson&Johnson benötigen keine komplexe Kühllogistik. Und auch mRNA-Impfstoffe können inzwischen problemlos in einer Arztpraxis verimpft werden. Die Anforderungen vorhandener und zugelassener Impfstoffe stehen einer Verimpfung in Praxen also nicht im Weg.

Dabei dürfen wir nicht den gleichen Fehler wiederholen, den wir schon zu oft in dieser Pandemie gemacht haben. Es zählt Schnelligkeit vor Überbürokratisierung! Deshalb muss das Bundesgesundheitsministerium dafür Sorge tragen, dass die Impfkampagne in den Praxen nicht durch eine übermäßige Zettel-Bürokratie belastet wird. Die Anforderungen an die Impfsurveillance sollten sich an denjenigen der Grippeschutzimpfung orientieren.

Eine erfolgreiche und zügige Umsetzung der Impfkampagne ist der beste und schnellste Weg aus der Pandemie. Die Impfung durch Haus-, Fach- und Betriebsärzteschaft – und zwar nicht erst graduell ab April, sondern schnellstmöglich und flächendeckend – ist dabei der entscheidende Turbo in der Impfkampagne!